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Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Titel: Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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genau, weil wir genau sein können. Hier können wir unterscheiden, wer in der Schlacht, gleich nach der Schlacht oder Tage später stirbt. Beim Gegner nicht, weil wir nicht dabei sind. Hier dürfen wir keine genauen Unterschiede machen, verstehst du, weil Genauigkeit allzu kleinlich wäre. Nach alter Erfahrung sterben viele bei der überstürzten Flucht; andere verirren sich in der Gegend und verhungern oder verdursten. Wenn, sagen wir, fünfhundert Perser gefallen sind, kannst du von tausend Toten ausgehen.«
    »Muß man das immer verdoppeln?«
    »Nein, keineswegs. Das hängt von den Umständen ab. Wenn um uns Wüste wäre, müßten viele Flüchtende verdursten – mehr als fünfhundert. Wenn, andererseits, das Gemetzel besonders furchtbar gewesen wäre, könnte eine Verdoppelung leicht dazu führen, daß mehr Gegner gefallen sind, als zunächst überhaupt in die Schlacht zogen. Dann muß man das Heer der Feinde entsprechend vergrößern.«
    Kallisthenes hüstelte; Eumenes warf ihm einen beinahe hämischen Seitenblick zu. »Es ist also auf jeden Fall tunlich, der Wahrheit auszuweichen, um nicht mit ihr zusammenzuprallen?«
    Alexander lachte. »Viele haben sich dabei verletzt. Aber was ist Wahrheit? Hier ist Wahrheit das, was wir wissen müssen, um handeln zu können – wir brauchen die genauen Zahlen. In Hellas, vor allem in Athen, ist Wahrheit das, was uns und unserer Sache nützt.«
    Kallisthenes achtete auf die feinen Unterschiede; seine Briefe an Aristoteles enthielten zumeist beide Wahrheiten. Ihm berichtete er, wie Alexander mit jedem Führer jeder Ile sprach, die aus 16 Reihen zu je 16 Mann bestand, und wie die Ilarchen berichteten, daß etliche Reihen nunmehr verkürzt seien. Nur bei den Fußkämpfern gab es größere Einheiten – zwei Ilen eine Pentekosiarchie, deren drei zusammen eine Taxis. Daß die »Fünfhundertschaft« tatsächlich aus 512 Kämpfern bestand (und jede der sechs Taxeis der makedonischen Hopliten somit aus 1536 Männern), störte ihn zuerst rein sprachlich, aber er gewöhnte sich ebenso daran wie an die Reihenführer, die dekndarchoi genannt wurden, obwohl sie nicht 10, sondern 15 Kämpfer führten und selbst der jeweils sechzehnte waren. Nichts, so beschloß er bei sich, würde ihn in diesem Zusammenhang je wieder erstaunen, denn (so schrieb er seinem Onkel) »der logos ist unendlich dehnbar, der Geist schweift wie er will, und um das Zusammenleben großer Menschenmengen in Frieden oder Krieg zu erfassen, muß er furchtbar schweifen. Allein die Feststellung, daß die schwere Sarissa, die sechs Schritte lang ist, nur von Fußkämpfern mit beiden Händen gehalten werden kann, ist so erstaunlich wahr, daß demgegenüber die Tatsache einer Ile der thrakischen Reiter, die sarissophoroi heißen, weil sie zu Pferd einhändig eben jene Sarissa verwenden, als von ungewöhnlich heftiger Nichtigkeit befallen erscheint. Auch daß die Hopliten der gewöhnlichen Phalanx sämtlich Fuß-Gefährten heißen, was früher der Name der unberittenen Leibwache des Königs war, ist eine dieser weiträumigen Schweifereien; die Leibwache bilden heute, neben den edlen Reitern, die schildtragenden Hypaspisten, und damit sie sich nicht nur durch leichtere Bewaffnung und größere Schnelligkeit von den Hopliten unterscheiden, besteht bei ihnen eine Taxis nur aus vier, nicht wie sonst aus sechs Ilen. Wie in diesem schweifenden Durcheinander allerdings jemand genaue Zahlen, Bedürfnisse, Notwendigkeiten und Vorzüge zu ermitteln vermag? Dazu bedarf es eines weitschweifenden Geistes, edler Aristoteles; aber ich sehe, ich schweife ab. Daher will ich dir ohne Umschweife ferner mitteilen, daß bei einer Reihe von sechzehn Kämpfern der erste der erste, der zweite aber der letzte ist, der dritte hingegen der zweite. Der erste, wichtigste Kämpfer und Führer, der dekadarchos, führt die Reihe in den Kampf; der zweitwichtigste Mann geht am Ende, um unziemliche Ausbrüche von Albernheit oder Müdigkeit bei den vor ihm Gehenden zu mindern ...
    Sie sind wahrlich die Blüte, die Dekadarchen; ich glaube nicht, daß einer von ihnen schreiben kann oder sich nach dem Arschwischen die Finger reinigt, mit denen er es vollbrachte. Alexander – und die Götter wissen, er ist kein Demokrat – kennt sie dennoch fast alle mit Namen; statt als minderes Vieh behandelt er sie als Waffenbrüder, darin Parmenion gleich, den die Jahre im Feld jener Feinheit beraubt haben, die selbst den tüchtigen Demokraten zwischen wertem und unwertem

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