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Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Titel: Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Karchedonier wies auf die Schale mit der öligen Flüssigkeit – »zeigt nach Südwesten; das ist hier, zwischen den Häusern, nicht so deutlich auszumachen. Sie deutet immer auf einen schwarzen Luftstein im Tempel der Tanit.«
    Dymas drehte sich um; er zog Tekhnef mit sich, weg vom Markt, von den Leuten, den Kai entlang nach Osten, bis zum Ende der Bebauung. Sie saßen im warmen Sand, die Füße in den schwappenden Wellen des Meers; die Sonne war nicht der strahlende Sonnenstern des makedonischen Königs, sondern eine bösartig glühende Scheibe, Unheil im Westen, zerschlitzt und aufgeteilt ohne Verminderung durch die Masten und Stengen der Schiffe im Hafen.
    »Werde ich das denn nie los?« murmelte Dymas nach langem Schweigen.
    Tekhnef schöpfte mit beiden Händen Sand und ließ ihn langsam durch die Finger rinnen. »Verlierst du deine Haut, deine Erinnerungen? Deine Musik?«
    »Ich will nicht. Nicht mehr.« Er ließ sich auf den Rücken fallen und hieb die flachen Hände in den Sand.
    Tekhnef kniete; sie hob den Chiton hoch, immer höher, bis über dem Rand des hellen Leibschurzes, unter dem Nabel die Narben zu sehen waren, scheußliche Zackenspuren, hinterlassen von der Ältesten ihres Volkes, die nicht gewollt hatte, daß das Mädchen in der Ferne Kinder gebäre, außerhalb der Gemeinschaft.
    »Kann ich meine Haut abstreifen, meine Narben?«
    Sie ließ den Chiton fallen und kauerte auf den Fersen. Leise und eindringlich sagte sie: »Du bist das, was du getan und erlebt hast. Du kannst es nicht in den Wind werfen.«
    »Kann ich nicht eine neue Welt machen? Wie Alexander? Muß ich die alte weiterschleppen?« Er klang wie ein schwermütiger Knabe.
    »Alexander? Vielleicht verändert er die Welt, aber sie ist nicht neu. Und – er ist Niemand. Oder so viele, daß er Alle werden muß, um irgendwann Einer zu sein. Was eine umständliche Redeweise ist für: Es gibt ihn nicht; er ist ein vielfacher Traum, ein zahlloser Albtraum, ein Gefäß mit wechselndem Inhalt.« Sie streckte sich neben ihm aus und legte eine Hand auf seine Brust. »Du bist. Auch durch den Mut, dich selbst und die Dinge anzunehmen. Deshalb liebe ich dich – etwas, das ein Mann ist, ein Mut und eine Musik. Wenn du den Mut verlierst, wird auch die Musik schwinden. Dann werde ich dich verlassen, Dymas.«

    Der Schankraum des Gasthauses füllte sich nur langsam; wahrscheinlich zogen viele, die hier schliefen, für abendliche Speisung und Unterhaltung andere Schänken vor, die eher in der Mitte des Hafens lagen. Nach längerem Feilschen einigten sie sich mit dem Wirt auf ein üppiges Mahl: Näpfe mit Fischbrocken in einem Sud aus Wein, Lauch und Kräutern; frische Brotfladen mit klein gehacktem, scharf gewürztem Rindfleisch; gebratene Tauben, in Speck gewickelt und mit Teig und Kräutern gefüllt; Dickmilch mit frischen Beeren und Obststückchen; dazu reichlich Wein und frisches Wasser, nicht aus dem Hofbrunnen. Der Schankraum war erhellt durch Fackeln, die in Brusthöhe in Bronzefäusten an den Wänden steckten, durch Öllämpchen auf den Nadelholztischen und durch eine Ölleuchte, die in der Mitte des Raums auf einem Tischchen stand: ein Behälter aus gelblichem Glas oder durchscheinendem hauchdünnem Stein, gefüllt mit Rosenöl und einem langen Docht. Es gab keine Musik; die Gäste unterhielten sich leise, machten nur hin und wieder freundlich derbe Bemerkungen über die Schankmädchen, deren Umhänge eher Nebel waren denn Tuch und insgesamt eine besondere Art der Nichtbekleidung.
    Tekhnef schien versonnen oder zerstreut; sie aß, ohne sich den Speisen zu widmen. Dymas beobachtete die übrigen Gäste: ein ägyptischer Händler mit Bronzehaut, weißem Kopftuch und schweren Ringen; vier Offiziere von Kriegsruderern; ein blasser Mann mittleren Alters mit Mausgesicht und Tinte an den Fingern; ein Kaufherr aus dem Ort, mit Frau und halbwüchsigem Sohn; ein weitgehend stummer Thraker, wahrscheinlich ebenfalls Händler; ein junger Hellene, vielleicht Handelsschiffer; und drei Makedonen gesetzten Alters, die ebensogut Offiziere außer Dienst sein konnten wie Beamte der Verwaltung oder Grundherren.
    »Immerhin hab ich ja damit nicht schlecht verdient«, sagte Dymas kaum hörbar, als eines der Mädchen die Näpfe weggeräumt hatte. Es waren seine ersten Worte seit dem Strand, das Feilschen und Bestellen nicht mitgerechnet.
    »Die Sorge, von Auftraggebern langwierig gebunden zu werden, ist mit Mut vereinbar.« Tekhnef lächelte; es war, als ob sie tief

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