Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
Straßenzüge und Häuserblocks den alten Umfang der Hafensiedlung verdoppelt; im letzten halben Jahr war eine eigene Stadt daraus geworden, abermals verdoppelt und ins trockengelegte Sumpfland ausgedehnt. Am ostwärts verlängerten Kai aus Steinquadern – im Westen begann der Kanal, der die Ausdehnung hemmte – fanden Tekhnef und Dymas Unterkunft in einem neuen, zweigeschossigen Gasthaus mit Stallungen. Bis auf wenige Blumen und ein paar verpflanzte Stauden waren die Zierbeete des Innenhofs noch kahl; der Sklavenjunge, der einen Krug mit Wasser vom gemauerten Hofbrunnen zu ihrem Raum im Obergeschoß brachte, warnte sie.
»Wasser sumpfig, nicht gut trinken, nur waschen.«
Dymas warf ihm eine silberne Halbdrachme zu; der junge Thraker biß darauf, grinste und ließ sie in den Falten seines Schurzes verschwinden. »Ihr ander Wasser?«
»Und Wein.«
Der Raum mit den getünchten Wänden war hell und sauber, ebenso das flache Bettgestell, ein lederbespannter Holzrahmen; die Decken rochen wie frisch gewaschen, und auch eine gründliche Suche brachte keine Schlummertierchen zutage. Während Dymas die Instrumente in und auf die schlichte Holztruhe legte, sich entkleidete und vor dem Waschtisch mit Krug und Schale reinigte, nahm Tekhnef den mit durchscheinender Schweinsblase bespannten Rahmen aus der Fensteröffnung und betrachtete den Hafen, den Kai und die Menschen.
»Ägypter«, sagte sie erstaunt. »Ein Schiff ... könnte aus Kreta sein. Phöniker. Ein attischer Händler, ein Schiff aus Karchedon. Es ist nicht mehr der Rand der Welt; es ist der wichtigste Hafen eines Reichs geworden. Sieben, nein, neun Kriegsruderer, an den Molen und draußen ... Wein, Tuch, Gewürze, Schmuck – wo sind wir gelandet, Dymas?«
»Es ist der Hafen der Hauptstadt, wie du sagst, und der wichtigste Nachschubhafen für Alexander. Ich frage mich nur, wie sieht es in der eigentlichen Stadt aus?«
»Was meinst du?«
Dymas grunzte. »Wenn jetzt alle Waren im Hafen bleiben, müßte der Handel in Pella selbst sehr ärmlich geworden sein, oder?«
Als der Sklave mit Wein und Trinkwasser erschien, kramte Dymas eine weitere Halbdrachme hervor und gab sie ihm, damit er ein gutes Wort für die Behandlung der Pferde einlegte. Der Thraker blickte zwischen Tekhnef und Dyrnas hin und her, nickte, schien einen Moment die dichten schwarzen Haare auf dem Körper des Musikers zu zählen und das Gewicht seines Gehänges abzuschätzen, kaute auf einem Vorschlag herum, den er dann doch nicht machte, und ging. Dymas grinste und legte den Riegel vor.
»Was wird das?« sagte Tekhnef; sie löste sich von der Fensteröffnung.
»Ausziehen, waschen. Du riechst nach Pferd.«
»Und dann?« Lächelnd streifte sie den schmutzigen knielangen Chiton ab, den Schurz, die Sandalen.
»Ach, mal sehen.« Dymas ließ sich auf das Lager fallen. »Vielleicht kommt uns was dazwischen – mit der Wette, meine ich. Deshalb sollten wir die wichtigeren Dinge vorher erledigen.«
Auf dem Marktplatz in der Mitte des Kais – hier hatte man einige ältere Gebäude abgerissen – versank Tekhnef in Wehmut und Erinnern vor dem Stand eines Ägypters, der grelle Bilder auf Papyros feilbot, Gestalten und Schriftzeichen der alten Überlieferung, daneben auch kleine tönerne Nachbildungen des Sphinx genannten Löwenmannes, Götter- und Herrscherfiguren aus weichem Stein, bunte Flaschen mit »Wunderwerken für Nase und Haut, Düfte, wie sie nur die Meister vom Nil zu mischen verstehen«. An anderen Ständen gab es Fisch von der Küste, Obst und Gemüse aus dem Hinterland, Wein aus der Gegend, aber auch aus Rhodos und Attika. Ein paar große Männer mit wallendem Blondhaar, vermutlich Kelten, hockten auf dem Rand ihres Karrens, der Käfige trug mit Dachsen, Wieseln, zwei jungen Wölfen und einem kleinen Bären. Das Geschrei von Gänsen, Hühnern und gemästeten Tauben war nur eine Sprache von vielen – Makedonisch, Obermakedonisch, Attisch, Küsteniranisch, Assyrisch, Aramäisch, Chaldäisch, Phönikisch, Thrakisch, Illyrisch ... Ein Riese mit schwarzem Kraushaar, schwarzem Bart und goldenen Ohrringen bot feiste Bilchmäuse an; er hatte die Fingernägel und die Zähne schwarz gefärbt. In brüchigem Attisch – auch sein Persisch war kaum besser – nannte er Preise, beschrieb die Köstlichkeit der in Wein und Lauch anzugarenden, dann mit Kräutern scharf zu bratenden Tierchen, röhrte Bruchstücke uralter Geschichten – eines der Tiere stamme in direkter Linie von der Sippe ab, die
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