Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Titel: Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
über Jahre Lieblingsspeise der vergessenen Könige Lydiens gewesen sei – und zog mehr Kundschaft durch sein Äußeres und sein Gebrüll an als durch seine Ware. Dymas, neugierig geworden, verwickelte ihn in ein Gespräch und erfuhr, er heiße Nhiyar (oder so ähnlich), sei einem persischen Händler nach langer Sklaverei entsprungen und komme von irgendwo am Halys, in Kappadokien, wo es noch ein paar Dörfer mit prächtigen Menschen seinesgleichen gebe, allesamt große Steinschleuderer, Dudelsackspieler wie er und Trinker, die letzten der luviya, die lange vor den – Dymas ebenfalls unbekannten – khattu dort geherrscht hätten, unendlich lange vor allen bekannten Völkern. Ein blasses kleines Mädchen zupfte ihn irgendwann am Ärmel, fuchtelte mit einer Trommel, und Dymas wanderte weiter zum Stand eines Karchedoniers.
    Der Mann trug eine topfartige Filzmütze, das gegürtete wadenlange Wollgewand und lederne Halbstiefel; trotz der Hitze des Sommers schien er nicht zu schwitzen. Er hatte wenige rätselhafte Gegenstände auf seinem Tisch aufgebaut, darunter einen hellgrauen Metallkegel, kaum höher als eine halbe Elle, oben spitz zulaufend, die Seiten mit seltsamen Zeichen versehen, einer Dymas unbekannten Schrift, die eingeätzt schien. Als er den Kegel berührte, spürte er eisige Kälte; als er ihn in die Hand nahm, stieß er einen leisen Ruf der Überraschung aus. Der Metallkörper war unglaublich schwer; noch lange, nachdem er ihn wieder abgesetzt hatte, war der kreisrunde Eindruck in seiner Handfläche zu sehen. Daneben stand eine Pyramide aus Porphyr, auf einer Eisenplatte; ebenfalls auf der Platte war eine Eisenspirale befestigt, die einen winzigen, unendlich genau ausgeführten Vogel trug, mit ausgebreiteten Flügeln.
    »Was ist das, Freund?« sagte Dymas; unwillkürlich sprach er Westphönikisch, und mit den lange nicht mehr benutzten Wörtern kamen die Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend.
    Der Karchedonier lächelte nicht, zeigte auch keine Überraschung, daß jemand ihn hier in Pella in der Zunge seiner fernen Heimat anredete. Er drückte mit dem Zeigefinger der Rechten den Vogel und die Spirale abwärts, auf die Eisenplatte; als er losließ, schnellte das aus zahllosen verschiedenfarbigen Steinchen und Metallsplittern bestehende Tier hoch, die Spirale schaukelte, ein Flügel des Vogels streifte die Pyramide aus Porphyr, und das Reibgeräusch klang wie der winzige Schrei eines winzigen Lebewesens. Dymas lief es kalt den Rücken hinab; seine Hand tastete nach der von Tekhnef.
    »Der Vogel Phoinix«, sagte der Karchedonier. »Wenn er durch die Berührung mit seinem Flügel die ganze Pyramide abgetragen hat, ist ein Tausendstel der Ewigkeit vergangen.«
    Tekhnef sog hörbar die Luft zwischen den Zähnen ein; Dymas schüttelte den Kopf und betrachtete die anderen Dinge: eine Schale mit öliger Flüssigkeit, in der eine Nadel schwamm, die unbeirrbar nach Westen wies, ganz gleich, wie sehr man die Schale drehen mochte; ein winziger Totenschädel aus feinem Silber, mit roten Steinen als Augen, die dem jeweils letzten Betrachter folgten; ein flaches, um eine Mittelnadel drehbares Goldquadrat, das nach zahllosen schwindelerregenden Kreiselbewegungen zu einem Kreis erstarrte. Und ein verwirrendes System von Drähten und Kugeln, insgesamt neun, um eine große gelbe Kugel in der Mitte angeordnet; die Drähte, die die neun anderen Kugeln trugen, waren ein wenig abgeflacht, eher Ellipsen denn Kreise; die zweite Kugel war trüb gelbrot, die dritte leuchtend blau und grün, die vierte ein böses Rot, die fünfte – riesig im Vergleich zu den Nachbarn – zeigte ein flammendes Dämonenauge und hatte wiederum ein eigenes System kleinerer Drähte um sich, wie auch die sechste.
    »Was ist das?«
    Der Karchedonier starrte in Dymas’ Augen. »Das ist die Schmach des Adherbal, Dymas.«
    Der Kitharist ächzte lautlos; Tekhnefs Hand war einen Moment lang der einzige feste Punkt im wirbelnden Kosmos der Schlieren und Gedanken.
    »Mich gibt es nicht mehr«, sagte er heiser.
    Der Karchedonier entblößte die Zähne; sie waren stark und gelblich. »Das wissen wir. Aber der Herr der Pferde möchte sich gern mit dir unterhalten. Nicht jetzt, später – oder früher. Eine Bitte, ein Rat, keine Anweisung.«
    »Unterhalten? Worüber?«
    Der Händler hob die Schultern. »Viele Dinge. Dinge wie der Sonnenaufgang über Kanopos, die Vaterschaft Amûns, langes Leben im Auge des Falken, derlei.«
    »Wo?«
    »Diese Nadel« – der

Weitere Kostenlose Bücher