Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
werden. Ich bedaure sehr, euch gekränkt zu haben. Damit dies nicht wiederholt werden kann, bitte ich um Erlaubnis, euer Fest und eure Stadt verlassen zu dürfen.«
Olympias bewegte die Hand; die Gebärde mochte alles mögliche bedeuten – geh; sieh dich vor; morgen bist du tot ...
Antipatros klatschte und griff zum Becher. »Wir wollen auf das Wohl des kundigen Erzählers trinken. Ich finde, er hat denen von uns, die den Krieg und die Grauen der Belagerung kennen, ein kostbares Geschenk gemacht: die Wahrheit. Ich höre am Gemurmel, daß die Krieger auch dieser Meinung sind. Was denkt der ehrwürdige Medios?«
Der Älteste der Fürsten, Vorsitzer des Staatsrats und wichtigster Berater, beugte sich vor und hob ebenfalls den Becher.
»Wenn dieser windige Hellene, Kallisthenes, Neffe des weit größeren Aristoteles, seine Berichte mit weniger Rhetorik und halb so viel Wahrheit, wie Knephalos sie vortrug, verfassen könnte, wäre uns allen mehr gedient. Wir haben über Dinge wie Nachschub, Bündnisse, Besoldung und die Zukunft zu entscheiden; dabei helfen uns heroische Preislieder nicht. Ich danke dir, Nikaler, für die kostbaren Kenntnisse, die du uns vermittelt hast.«
Olympias trank nicht mit; ihr Gesicht war eine Steinmaske. Sie wandte sich plötzlich an Dymas.
»Vielleicht kann der Kitharist, der auch Kitharode ist, das Gleichgewicht herstellen.« Die Stimme war wie erstickt in Haß und Gier.
Tekhnef berührte Dymas’ Bein mit dem Fuß. Der Musiker zögerte, suchte Antipatros’ Augen. Der Stratege Europas lächelte dünn.
»Ich bin sicher, ein kluger Sänger hat ebenfalls eigene Ansichten über die Wichtigkeit der Dinge. Nicht wahr, Dymas? Nur zu; keine Besorgnis, Freund. Antipatros legt keinen Wert auf hirnlosen Preis.«
Dymas schloß die Augen; seine Finger beschäftigten sich mit den Metallwirbeln, stimmten die Saiten schärfer. Ohne besondere Betonung, wie betäubt vom Versuch, Mut aufzubringen, sagte er:
»Ich habe mehrere Dinge gedacht. Es sind schlechte Verse daraus geworden, aber wenn ihr sie unbedingt hören wollt ... So habe ich zum Beispiel begrübelt, was der große König der Makedonen, siegreich heimgekehrt und im Ruhm gealtert, am Ende seines Lebens denken könnte. Wenn ihm die göttliche Kraft entronnen ist, wie Sand zwischen den Fingern.«
Er zupfte die offenen Saiten; dann begann er mit einer leisen, klagenden, im Kern jedoch harten Melodie.
Ameisen kichern, wenn du sie zirpend bedrohst,
da du früher den Donner zersungen, die Sonne
unter die Meere gebrüllt hast. In deinen Fingern
jubelten Lyra und Schwert, nun biegt sich kein Halm.
Löwen hast du gezähmt zum Ergötzen der Frauen,
jetzt geben Ammen dir Käse aus Löwinnenmilch.
Besser, niemals geboren zu sein, als an Zähne
sich zu erinnern und zahnlos nicht sterben zu können.
Antipatros verkniff sich ein Grinsen; er nickte nur. Der alte Medios schielte hinüber zu Olympias, die die Augen verdrehte.
»Was hat das mit meinem Sohn, dem Gefäß des Ammon, zu tun?« Sie schrie beinahe. »König, Held, Stratege, Priester! Und du redest von einem zahnlosen Greis!«
Dymas, ungläubig, hörte Tekhnef sagen:
»Aber auch den Strategen hat er besungen, Fürstin. Und er hat ihn gut besungen; er lobt ihn, weil euer König nicht protzt wie mancher andere Heerführer, und in diesem Gesang läßt er ihn nicht zahnlos werden, sondern ruhmreich und mutig in Asien sterben.«
Olympias zeigte die Zähne und schwieg; Antipatros gluckste leise. Medios, auch im Sitzen auf seinen Stock gestützt, rammte dessen Spitze heftig auf den Boden.
»Wir wollen es hören!«
Dymas seufzte, streifte Tekhnef mit einem mißmutigen Blick und begann zu spielen. Die Melodie war, leicht abgewandelt, die eines bekannten feierlichen Preislieds, getragen und erhaben.
Wer als Stratege, die Beine gespreizt, sich stampfend voranschiebt,
Locken schüttelt, die Brust wölbt und Wolken zu bürsten sich rühmt,
gilt mir nicht viel. Es lebe dagegen der Zwerg, der die Männer mutig zum Sieg führt, der krummbeinig zwar, doch fest auf der Welt steht.
Weniger wiegt, wer Asiens Winde und Wasser und Weiten wahnhaft durchwandert, dem willige Weiber die Wunden umwinden;
mehr der Mutige, Mast im Gemetzel, der Männer ermuntert, der sich zuletzt mit fünf Fuß von Asiens Erde vermählt.
Es gab Beifall von den Offizieren, hier und da kicherte jemand. Olympias saß starr; ihre Augen sprühten Gift.
»Ist das die einzige Zukunft, die du siehst, Sänger und Seher?« sagte
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