Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
wurden. Im Laufschritt näherten sich die ersten Reihen den Kämpfenden, den Flüchtenden und den Nachrückenden. Die langen Sarissen senkten sich, das makedonische Angriffsgeschrei schnitt durch das Tosen.
In den nächsten Tagen und Nächten änderte sich das Wetter. Mehr Wolken trieben über den Himmel, in den Abenden und Nächten wetterleuchtete es weit auf dem Meer, und es gab mehr Wind und Gewitter. Die Donnerschläge und das Hämmern der Rammen wetteiferten miteinander. Die Makedonen steigerten ihre Angriffe. Ihre Maschinen warfen und zertrümmerten ohne Pause; die Mannschaften wechselten einander ab. Aber die Verteidiger waren mutig und schnell.
Und sie waren erfahren in der Kriegführung. Sie wagten blitzschnelle Ausfälle. Die Söldner der Stadt konnten es an Erfahrung und Kampfesmut mit den Makedonen aufnehmen. Zudem wagten sie sich nicht sonderlich weit aus dem Schutz der Mauern hinaus. Ihre Kameraden deckten jeden Schritt der keilförmigen Streitgruppen.
Wenige Tage später, gegen Abend, unternahmen die Verteidiger, von Ephialtes angeführt, einen Ausfall von großer Geschicklichkeit. Es begann damit, daß die hölzerne Pyramide hinter der Mauer zu einem rasenden Ungetüm wurde, das einen Regen aus Steinbrocken und wahre Schwärme von Pfeilen über die Angreifer warf. Eine Masse schweigender und zu allem entschlossener Verteidiger brach aus den Toren hervor, Fackeln in den Händen. Die Krieger rannten auf die Belagerungstürme zu, die vor den Mauern im Nordosten standen und sich scharf gegen den Himmel des Sonnenuntergangs abhoben. Die ersten Fackeln flogen in die Türme und setzten abermals das trockene Holz in Flammen. Die Wachen der Makedonen, die von dem Angriff abgelenkt worden waren, kämpften gegen die Verteidiger und starben an den Pfeilen und Steinbrocken, die aus der Stadt auf sie herunterkrachten. Um die Belagerungstürme brachen erbitterte Kämpfe aus, Mann gegen Mann.
Eine zweite Gruppe verließ die Stadt, als das Getümmel um die Maschinen und Türme am größten war.
Hunderte Krieger drängten sich durch das westliche Tor, sammelten sich im Schatten der Mauer und griffen an, die Lanzen gesenkt und die Schwerter quer über den Köpfen. Sie bildeten einen Keil und bewegten sich in einem leichten Bogen auf die Stelle zu, an der die Belagerungsmaschinen zu brennen begannen, an der die ersten Sarissenträger aus dem Lager eintrafen, an der die Verteidiger und Angreifer sich ineinanderkrallten. Das Klirren der Schwerter und das Keuchen der Kämpfer bildeten inmitten der Flammen und der dunkler werdenden langen Schatten eine Insel des Todes.
Als Memnon erkannte, daß nicht die alten, kampferfahrenen Makedonen in den Kampf rannten, sondern die jüngeren Krieger, rissen seine Leute das Tor auf. Wieder brach eine ausgeruhte, todesmutige Gruppe von einigen hundert Kämpfern aus der Stadt hervor und griff in den Kampf ein. Die Angreifer wurden zurückgetrieben, während noch einige von ihnen versuchten, die brennenden und glühenden Maschinen zu löschen. In einem weiten Halbkreis vor den Mauern schlachteten sich die Angreifer und die Verteidiger ab. Dann prallte die dritte Gruppe auf die Kämpfenden.
Chaos brach aus. Befehle wurden gar nicht oder falsch befolgt. Dann bildete sich eine neue Kampflinie. Alte Krieger fällten ihre Sarissen, rückten aneinander, bis sich ihre Schultern berührten, und rückten mit grimmigem Nachdruck vor. Wieder sah man bei ihnen einen nicht sonderlich großen Mann, der knappe Befehle schrie und genau wußte, was hier und jetzt zu geschehen hatte.
Eine erste Reihe von vierzig oder mehr bildete sich, bald darauf eine zweite, dann eine dritte, und schließlich kamen an beiden Flanken weitere Gruppen zusammen. Ihr Schrittmaß änderte sich, wurde schneller, und eben an dieser neugebildeten Schlachtreihe richteten sich die fliegenden Makedonen wieder auf. Sie wichen den erfahrenen Kameraden rechts und links aus und sammelten sich hinter den Reihen. Die Verteidiger, deren erste Welle in die Klingen der Sarissen rannte und starb, gerieten ins Stocken. Inzwischen war der letzte rote Glanz der Abenddämmerung vergangen; nur noch die nahen Berggipfel und hohe Wolken spiegelten das Blutrot der Sonne wider, die ins Meer tauchte.
Die Männer aus Halikarnassos zogen sich zurück. Binnen kurzer Zeit wurde aus dem geordneten Rückzug eine Flucht, die immer stärker in Panik abglitt. Verteidiger und Angreifer stolperten über Leichen und über Verwundete. Die ersten Verteidiger
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