Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
von mir; es ging nicht um mich, sondern um den, ah, das Volk. Mir haben viele Dinge weh getan – vergiß nicht, Parmenion war ein guter Freund, wie auch Antipatros; Alexander war ... eine Erscheinung, die mich staunen ließ und in vielem noch heute fassungslos macht. Auch für andere habe ich Freundschaft empfunden. Ptolemaios, Kleitos, Antigonos gehören oder gehörten dazu – Freundschaft zwischen gleichen, oder zwischen Lehrer und erwachsenem Schüler. Alexander? Er war zu viele verschiedene Männer; für den einen oder anderen habe ich Freundschaft empfunden, Liebe, Verehrung; für andere Verachtung oder Mißbilligung, für alle aber Staunen.«
Er deutete auf das niedergebrannte Feuer, dann auf einen Rollenstapel im Gestell. Peukestas stand widerwillig auf, um den unerträglich heißen Raum noch heißer zu machen. Pythias blinzelte kurz, schloß aber sofort die Augen wieder und schlief weiter.
Während der Makedone Asche beseitigte und ein neues Feuer entfachte, sprach der Philosoph von den Musen und den Gesetzen, die nicht für alle und alles gleich seien. Kallisthenes, sagte er, habe nicht Historiographie betrieben, sondem preisende Prosa, epische Werbung für den König der Makedonen, den die meisten Hellenen noch immer ablehnten. Diese Gesetze verlangten, daß – wie an der Perlenschnur des Schrittzählers nach einer Anzahl kleinerer Perlen eine große sein muß – Höhepunkte und Flachstrecken ausgewogen verteilt seien. Was auch immer die Wirklichkeit gewesen sei, nach den Gesetzen der Prosa, die einen Heros preisen solle, dürfe Parmenion am Granikos nicht recht behalten; nach den gleichen Gesetzen habe die vom König und seinen Beratern gemeinsam getroffene Entscheidung, nach der Einnahme von Milet die Flotte aufzulösen und heimzuschicken, als dramatische Auseinandersetzung stattzufinden; und der wegen der Unzuverlässigkeit der hellenischen Schiffsbesatzungen und des Geldmangels unausweichliche Beschluß, angesichts der unendlich überlegenen phönikischen Flotte im Dienst des Großkönigs das Küstenland, die Häfen und die Quellen zu besetzen, durfte ganz einfach nicht strategische Weisheit sein, sondern mußte dem unerforschlichen halbgöttlichen Ratschluß des Königs entsprungen.
»Mich haben viele Dinge entzückt und entsetzt, oft zugleich. Es war wie bei seinem Vater – immer mit geringstem Aufwand möglichst viele Wirkungen gleichzeitig erzielen. Er übernimmt den Aufbau und die Verwaltung der persischen Satrapien, die erfahrenen Beamten und die seit Jahrhunderten erprobten Verfahren – aber zugleich entmachtet er die neuen, von ihm ernannten Satrapen, indem er sie stärker macht.«
Peukestas kehrte zu seinem Schemel zurück. »Du sprichst in wohlklingenden Rätseln, weiser Mann. Erhelle mich. Inwiefern hat er Kalas, zum Beispiel, gestärkt und entmachtet?«
»Die Satrapen des Großkönigs waren immer überlastet, und sie waren zu mächtig. Sie beherrschten, für den König, ihre Gebiete, lenkten die Verwaltung, sprachen Recht, erhoben Steuern, sorgten für Sicherheit und Ordnung, und führten die von ihnen ausgehobenen oder ihnen vom Großkönig gesandten Truppen. Alle Macht in einer Hand – und wie oft ist es zu Aufständen der Satrapen gegen die Großkönige gekommen?«
Peukestas wiegte den Kopf. »Das stimmt, und so hatte ich es nie betrachtet. Alexander hat die Macht aufgeteilt; fast immer, jedenfalls. Die Grenzen und Verwaltungen der alten Satrapien beibehalten, und für diese Gebiete jeweils einen Strategen, einen Schatzmeister und einen Staatshüter eingesetzt. Drei, nicht einer; und keiner kann ohne die anderen handeln. Klug, zweifellos, aber ich sehe nicht, daß über diese mehrfache Klugheit hinaus viele verschiedene Wirkungen damit erreicht werden. Auch weiß ich nicht, was daran dich entzückt, was dich entsetzt.«
Aristoteles strich mit zitternden Fingern über das Fell, das seine Brust bedeckte; einen Moment betastete er das Amulett.
»Nicht? Es ist doch so einfach, Peukestas. Die Strategen unterstehen dem Bundesfeldherrn, dem König Makedoniens – also Alexander. Die Schatzmeister unterstehen dem königlichen Schatzmeister – damals Harpalos. Die Verwalter haben dem König zu berichten – wiederum Alexander. Es kann keine Aufstände in den Satrapien geben, jedenfalls nicht wie unter den Persern. Aufstände gegen Alexanders Verwalter ja, aber keine Aufstände von diesen gegen ihn. Kalas, der die Satrapie des nördlichen Phrygien erhielt, war ein altgedienter
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