Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alexander

Alexander

Titel: Alexander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
Vom Netzwerk:
und am ausführlichsten aber machte er Visite bei gewissen uralten Schriftgelehrten, die in Hütten außerhalb der Stadt wohnten und über vieles, wenn nicht über alles Bescheid wußten.
    Ihre lehmgelbe, zerbröckelte und enge Behausung füllte der junge König mit dem Glanz seiner Rüstung, seines großartig umgeworfenen Mantels. Sie aber waren nicht demütig mit ihm, eher streng. Denn sie wußten; er aber war jung und hatte nur gehandelt.
    Chronik und Geschichte Babylons ließ er sich von ihnen immer wieder vortragen, darlegen, ausschmücken; die Historie seines Auf und Ab, seine Leidenszeiten, die Epochen seines Triumphes, vor allem aber die Geschichte seiner Götter.
    Er lauschte andächtig, wie als Kind dem Homer, wenn er erfuhr, wie das längst dahingegangene Volk der Sumerer, aus fernstem Osten gekommen, die Keilschrift erfunden und hierzulande das gesittete Leben begründet; wie nach ihnen die Akkader ihr Reich geschaffen, zu der Zeit, da in Uruk der Himmelsgott, in Ur der Mond, in Nippur Enlil, der Herr der Länder, in Eridu der Wassergott Ea, in Adab aber die große Göttermutter angebetet wurde, die vielerlei Namen hat. Der Herrlichkeit folgte Verfall, diesem wiederum Aufstieg, denn neue Häuptlinge, wer weiß es, woher sie kamen, gründeten endlich das Reich, dessen Hauptstadt Bâbili hieß.
    Die große Chronik der Auf- und Niedergangszeiten, der Fremdherrschaften und Befreiungen trugen die Alten in der lehmgelben Hütte vor; von Hammurapi, der die weisen Gesetze gab, bis zu Kyros, dem Achämeniden.
    »Und nun bist du da«, schlossen sie mit ernster Höflichkeit ihren Bericht.
    Die ungeheure Wißbegierde dieses jungen Königs zu befriedigen, schien unmöglich. Hatte man ihm die ganze Nacht durch erzählt, wollte er am Morgen noch weiter hören.
    Das ganze große Schöpfungslied mußten sie ihm vorsingen und aufsagen; dann den Heroenkampf des Marduk gegen Tiâmat, die bösartig gewordene Urmutter, und Kingu, ihren abscheulich funkelnden Gemahl; schließlich die Erschaffung des Menschen aus des geopferten Kingu Blut, wobei er wieder Gelegenheit hatte, sich sehr ähnlicher Geschichten zu erinnern, in die Olympias ihn eingeweiht: »Einen Gott sollst du schlachten«, hatte die Mutter gesagt.
    Es kam die Geschichte von Adapas, der das Wasser des Lebens aus falscher Vorsicht nicht annahm; und die höchst schauerlich unvergeßliche Geschichte von Ischtar, die in die Unterwelt fuhr, wo die mächtige Königin Ereschkigal sie mit sechzig Krankheiten peinigte und sie festhielt, bis Tammuz selbst sie befreite.
    Alexanders Neugierde wollte die Geschichte der Götter zurückverfolgen bis zu der Zeit, da Marduk noch Tammuz hieß, der wahrhafte Sohn des Abgrunds; denn von Tammuz wußte er, daß das Mysterium seines Todes und seiner Auferstehung dem des Adonis verwandt sein müsse; und weiter, bis zu dem noch geheimnisvolleren Punkte, da Tammuz und Osiris noch eine Person waren, auch Isis und Ischtar.
    Doch so weit ließen die Weisen ihn nicht gerne kommen. »Das Wesen der Götter ist dunkel«, schlossen sie unerbittlich.
    In verärgerten Gruppen konnte man die jungen mazedonischen Generale beisammenstehen sehen. Sie beklagten sich über ihren König, der es nicht nach ihrem Geschmack trieb.
    Philotas, der stattliche und dünkelhafte Sohn des Parmenion, fragte gehässig: »Seht ihr‘s nicht? Er hat schon Augen wie ein Berauschter. Er ergibt sich diesen arabischen Märchen und Teufelsgeschichten wie einem Laster. Während er hier orientalisch verkommt, muß mein Vater für ihn arbeiten, Susa besetzen, das räuberische Volk der Uxier bekämpfen.«
    Sie nickten entrüstet im Kreise, Krateros, Perdikkas, Koinos, Nearchos. Sie waren alle beleidigt, weil Alexander sich mehr und mehr mit ägyptischen, persischen Großen umgab, sie aber deutlich vernachlässigte. Aus gekränkter Eitelkeit spielten sie die moralisch Entrüsteten. »Der Orient verzaubert und entmannt ihn«, sagten sie streng.
    Nach einem Aufenthalt von vielen Wochen kam der langersehnte Befehl zum Aufbruch aus Babylon. Der große Abmarsch wurde freilich noch einmal um ein paar Tage hinausgezögert, woran ein peinlicher und etwas lächerlicher Zwischenfall schuld war: Arrhidaios war verlorengegangen. Es war nicht anders, der benachteiligte Mensch, der seine Jugend lallend im Kellerloch versessen hatte, war auf die Idee gekommen, alleine einen Spaziergang zu wagen, wahrscheinlich in die Gäßchen, deren Geruch er so liebte.
    Er kam nicht wieder, auch kein Suchen

Weitere Kostenlose Bücher