Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache
Mitglied, um an Informationen zu gelangen. Oder werde Mitglied, um etwas kaufen zu können. Dennoch gab es nirgends die Möglichkeit der Kontaktaufnahme per E-Mail, um einen Zugang zu beantragen.
Zudem der Name: Purpuradragon. Purpurdrache. Der Titel einer Organisation. Das Logo auf den C-
12
-Packungen. Das Zeichen einer Pharmafirma. Das Hauptmotiv einer Wahnvorstellung. Das Symbol und Ziel einer Mordserie.
Außerdem hatte Kraft die Meridian Health Care erwähnt. Zu der Gruppe gehörte auch das Luisenstift, dessen ärztlicher Direktor Professor Dr.Reinulf Engberts war. Engberts wiederum war laut Krafts Akte der medizinische Leiter der C- 12 -Testreihe. Siemer hatte es genommen. Auch Marlon, und sicherlich stand es auch auf der Medikationsliste von Jürgen Roth. Kraft hatte erwähnt, dass Roth etwas über einen Bruder des Drachen erzählt habe, und wie war das mit dem Spanisch gewesen?
Das Diktiergerät.
Alex sprang auf, kramte in ihrer Handtasche und fand schließlich das silberne Gerät, das Kraft ihr gegeben hatte. Zurück am Schreibtisch hörte sie das Gespräch ab. Als der MP 3 -Stream stoppte, schien das Bild an Konturen gewonnen zu haben. Das Kaleidoskop hatte für einen Moment aufgehört, sich zu drehen. Ein Muster stand ihr vor Augen. Sie musste ein Gespräch führen. Noch heute. Alex blickte auf die kleine Windows-Zeitanzeige rechts unten auf dem Monitor. Zweiundzwanzig Uhr. In einer halben Stunde könnte sie dort sein. Eine unpassende Zeit für einen spontanen Besuch. Aber erstens waren es keine normalen Umstände, zweitens verfügte sie über eine Polizeimarke, und drittens sorgten späte Besuche der Polizei stets für ein nicht zu unterschätzendes Überraschungsmoment.
Alex griff nach dem Telefon und wählte eine Nummer.
»Ja?« Kowarsch klang verschlafen.
»Alex hier.«
»Na endlich, hör mal, das tut mir alles total leid, ich habe dich x-mal angerufen, und …«
»Ja, habe ich gesehen. Ich hab dich nicht verpfiffen, keine Angst. Ich habe Marcus gegenüber angedeutet, dass du auf der Toilette gewesen bist. Er hat nicht weiter nachgefragt.«
»Das hast du nicht im Ernst gesagt?«
»Mario, hör mal – ich hab was bei dir gut, richtig?«
»Mhm«, brummte Kowarsch fragend, und Alex meinte, seinen verunsicherten Gesichtsausdruck vor sich zu sehen.
Nach dem Gespräch legte Alex das Handy beiseite und trank noch einen Schluck von dem inzwischen warm gewordenen Bitter Lemon. Dann ließ sie die Finger über die Tastatur fliegen, um die Adresse von Professor Dr. Reinulf Engberts herauszufinden.
[home]
45 .
M arlon stoppte den Golf in der Garteneinfahrt und öffnete den Kofferraum. Der Wagen hatte seine besten Tage längst hinter sich, erregte aber in jedem Fall weit weniger Aufsehen als ein silberner Audi TT , der von der Polizei gesucht wurde und deswegen nun unter einer großen Plane zwischen zur Verschrottung stehenden Wagen schlummerte.
Marlon öffnete die Sporttasche und nahm das Nachtsichtgerät heraus. Es war zwar noch nicht stockfinster, aber ohne den Restlichtaufheller würde er die Außenkameras an dem Gebäude nicht lokalisieren können. Mit einem leisen Piepen sprang das Gerät an. Marlon schnallte es über den Kopf und verkroch sich in einer Hecke, von der aus er sich einen guten Überblick über das Gelände des Luisenstifts erhoffte. Auf dem grün-weißen Display vor seinen Augen erschien das Gebäude samt Park. Marlon drehte den Knopf rechts an der Optik zwei Rasterstellungen weiter und zoomte die Fassade näher. Nach zwei Sekunden wurde das verwischte Bild stabil, und er konnte am Haupteingang sogar das »Willkommen«-Schild lesen.
Was für ein Gerät! US -Army-Material. Er hatte es vor ein paar Jahren einem Jäger abgekauft, als die Nachtsichtgeräte noch zugelassen waren. Einmal hatte er es bei einer Großfahndung der Polizei nach einem vermissten Mädchen eingesetzt, wenngleich er es ursprünglich aus anderen Gründen erworben hatte: Nie wieder sollte etwas passieren wie in dieser einen Nacht. Mitten auf der Straße war ihm ein Reh in den Wagen gelaufen, aber er hatte das Mistvieh nirgends finden können – was zum einen daran lag, dass es stockfinster gewesen war, zum anderen, dass er randvoll mit Koks und Wodka gewesen war. Er hatte keine Ahnung gehabt, wo er sich befand, als er auf der Straße umhertapste, und immer wieder diesen absurden Gedanken gehabt, dass ihm ein Nachtsichtgerät nun helfen würde. Schließlich hatte er seinen Wagen wiedergefunden, der nur drei
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