Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache
aus dem Panoramafenster. In der Ferne war ein orangefarbener Lichtschein zu erkennen. Ein sanfter Windstoß wehte kühle Luft durch die offen stehende Terrassentür. Sie duftete nach frisch gemähtem Gras und Sommer, und dazwischen nahm Marlon einen beißenden Geruch wahr. Irgendwo schien jemand ein Feuer angezündet zu haben.
»Nun, ich werde den Stick in jedem Fall der Polizei übergeben. Und dann sehen wir in der Tat weiter.« Marlon seufzte gekünstelt und nahm die Waffe herunter. Sylvie Engberts zitterte vor Erleichterung. »Auf eines freue ich mich jetzt schon.« Er beschrieb mit dem Zeigefinger eine Linie in der Luft. »Die Menschenversuche des Horror-Professors. 47 Punkt. Titelseite.« Damit zwinkerte er Engberts zu und ging rückwärts zur Terrassentür, ohne das stumm dasitzende Ehepaar aus den Augen zu lassen, bis ihn die Dunkelheit verschlang.
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48 .
S oll ich dir mal was sagen, Alex? Ich blicke nicht mehr durch.« Kowarsch sah aus dem nach unten gekurbelten Fenster des Mini und streckte den Arm nach draußen, um sich vom Fahrtwind kühlen zu lassen.
»Ich fürchte fast, keiner von uns blickt da durch, Mario. Das alles geht viel zu schnell, und es tauchen ständig neue Unbekannte auf. Es ist ein gigantisches Puzzle. Nur eines ist in meinen Augen völlig klar: Es steckt viel mehr dahinter, als wir annehmen. Und Marcus weigert sich, das zu sehen.«
»Mhm.« Kowarsch wischte sich über die Lippen, als Alex an der Ampel hielt und die Klimaanlage noch etwas aufdrehte.
»Aber vielleicht sind das auch zwei verschiedene Paar Schuhe, Alex. Das eine ist die Mordserie, und hinter dem anderen steckt ein Wirtschaftsdelikt, keine Ahnung. Dieser Engberts hat mit Sicherheit etwas auf dem Kerbholz, das glaube ich auch. Aber zuallererst müssen wir herausfinden, wo dieser Marlon Kraft steckt, und ob er möglicherweise flüchtig ist.«
Alex schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht. Er wird sich irgendwo in der Stadt aufhalten. Er will auf eigene Faust Licht in die Sache bringen.«
»Ja, aber wenn wir mal auf das Wesentliche schauen, dann gehst du davon aus, dass in jedem Fall noch ein weiterer Mord passieren wird, und zwar sehr bald, richtig?«
Alex nickte und fuhr wieder an.
»Okay, und wenn wir Kraft also in U-Haft stecken, wird dieser Mord entweder ausbleiben und die Serie unterbrochen – oder aber es setzt sich fort. Womit Kraft aus dem Spiel wäre.«
Alex zwirbelte mit dem Finger in einer Haarsträhne und bog auf den Innenstadtring ab. Natürlich. Das klang logisch. Weiteres Vorgehen nach Ausschlusskriterien. »Nur dazu müsste Kraft erst mal gefasst werden, und falls es sich bei ihm dann noch nicht um den Täter handelt und die Morde weitergehen, sehen wir alt aus.«
Kowarsch nickte. »Aber frei herumlaufen lassen können wir ihn auch nicht, so einfach ist das.«
Die Titelmelodie von
Beverly Hills Cop
erfüllte das Innere des Wagens, und auf Kowarschs überraschten Blick hin sagte Alex achselzuckend: »Ja, ich weiß, aber mir gefällt es.« Sie griff zum Handy, das in der Ablage der Mittelkonsole lag. Die Nummer war unbekannt, und nachdem Alex sich gemeldet hatte, stockte ihr der Atem, und sie hätte beinahe das Lenkrad verrissen.
»Oh, Marlon, hallo«, keuchte sie im nächsten Moment überrascht und sah zu Kowarsch, der sich wie vom Blitz getroffen im Beifahrersitz aufrichtete und wild mit der Hand gestikulierte, um Alex zu bedeuten, dass sie rechts ranfahren soll. Instinktiv erkannte Alex aus den Augenwinkeln eine Einfahrt, zog mit dem Mini auf die andere Fahrspur und erwischte gerade noch die Zufahrt zu dem Burger-King-Restaurant. Mit quietschenden Reifen bog sie auf den Parkplatz.
»Ich habe jetzt die Daten zusammen, Alex, und Sie werden Augen machen, das verspreche ich Ihnen.«
»Was für Daten?« Alex brachte den Wagen zum Stehen. Kowarsch sprang wie von der Tarantel gestochen mit seinem Telefon heraus und kurbelte mit dem Finger in der Luft herum, um Alex zu bedeuten, dass sie Marlon am Reden halten sollte.
»Ich war bei Engberts. Ich habe Kopien von seiner Festplatte gemacht, Alex, und es ergibt jetzt alles einen Sinn. Ich werde Ihnen den USB -Stick zukommen lassen.«
»Sie waren bei Engberts?« Alex stockte. War Marlon wirklich bei dem Arzt gewesen? Vor oder nachdem sie und Mario dort gewesen waren? Mit einem Seitenblick erkannte sie, dass Kowarsch nun ebenfalls telefonierte und dabei im Kreis herumlief.
Wie konnte Marlon so dumm sein, sie auf dem Handy anzurufen? Konnte
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