Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache
mich wohler fühlen, wenn Sie nicht länger mit der Waffe auf meine Frau zielen, Herr Kraft.«
Marlon zuckte mit den Achseln. »Kein Problem.« Er richtete die Pistole auf Engberts. »Besser so?« Der Arzt schwieg. »
Rosebud,
wenn ich Ihnen auf die Sprünge helfen darf, ist das Kennwort zu einigen Ihrer Projektdaten, die ich soeben von der Festplatte in Ihrem Büro im Luisenstift gezogen habe.«
Engberts schluckte. Sein Gesicht war aschfahl geworden.
»
Rosebud,
das ist das Schlüsselwort aus Citizen Kane, nicht?«, fragte Marlon. Engberts reagierte nicht.
» IST ES DAS ?«, schrie Kraft ihn an. Kleine Speicheltropfen sprühten aus seinem Mund. Engberts zuckte zusammen und nickte stumm.
»Gut.« Marlon atmete durch. »Ich sehe, wir verstehen uns. Und jetzt kommen wir zu dem Grund meines Besuchs. Ich weiß Bescheid über C- 12 , das ich auch genommen habe, über Glücksberg, über Roth und Siemer, über Ihre schmutzigen Machenschaften mit dem Militär. Ich habe zwei Fragen an Sie: Was hat das mit den Morden zu tun? Was hat es mit mir zu tun? Mehr will ich nicht wissen.«
Engberts schien einen Moment nachzudenken. »Sie halten sich selbst für einen Mörder?«
»Ich kann es nicht ausschließen«, blaffte Marlon zurück.
»Oh«, antwortete Engberts und versuchte ein gequältes Lächeln. »Das ist in der Tat eine amüsante Komponente.«
»Schnauze!«
»Der menschliche Geist hält viele Türen versteckt, und es ist besser, wenn manche für immer verschlossen bleiben, ist es so, Herr Kraft?«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Gut, Sie haben Projektdaten von meinem Computer gestohlen, und? Ich weiß nicht, was Sie damit anfangen wollen. Es sind Daten medizinischer Untersuchungen, mehr nicht, und sie haben nicht das Geringste mit einer Mordserie zu tun. Sie bringen Dinge in einen Zusammenhang, den es nicht gibt. Vielleicht wünschen Sie sich, der Mörder zu sein. Möglich. Vielleicht erhoffen Sie sich davon Bedeutung oder Erlösung. Vielleicht projizieren Sie eigene Wünsche auf seine Taten. Vielleicht sind das aber auch Erinnerungsfetzen, die von der Existenz eines anderen Marlon Kraft in Ihrem Bewusstsein hängengeblieben sind. Möglich ist alles. Nur Ihre fixe Idee von einem Zusammenhang zwischen C- 12 , Glücksberg und diesen schrecklichen Morden ist dann doch etwas bizarr, und nun legen Sie bitte Ihre Waffe nieder, dann können wir uns gerne in Ruhe weiter unterhalten.«
»Bullshit«, zischte Marlon. »Sie lenken mich nicht ab mit Ihren Psycho-Tricks. Hier, sehen Sie das?« Marlon zog den USB -Stick aus der Gesäßtasche und hielt ihn hoch. »Darauf befinden sich die kompletten
Rosebud
-Dateien, und ich werde sie so oder so der Polizei übergeben, Engberts. Sie klebt Ihnen bereits an den Hacken, nicht?«
Engberts’ Miene verfinsterte sich. »Ich gebe Ihnen einen guten Rat, Kraft: Schlüpfen Sie nicht in ein Paar Schuhe, die viel zu groß für Sie sind. Sie werden darin stolpern und anschließend zertreten.«
Sylvie Engberts’ Mund stand offen. »Was soll das heißen, Reinulf? Was soll das alles?« Der Psychologe ignorierte sie.
Marlon spannte den Abzugshahn und drückte Engberts den Lauf gegen die Stirn. »Sie sind mir noch eine Antwort schuldig. Jetzt.«
Engberts schmunzelte in völliger Ignoranz der Waffe. »C- 12 setzt manchmal Dinge frei, Kraft. Dinge, die wir nicht unter Kontrolle haben. Man kann es gezielt dafür einsetzen, manchmal ist das aber auch ein unerwünschter Nebeneffekt. Es öffnet Türen, und ich bin mir sicher, dass es bei Ihnen einige gibt, die Sie doppelt und dreifach verschlossen halten, habe ich recht?«
»Schnauze!«
»Machen Sie sich nichts vor, Kraft. Sie werden hier keine Antwort finden. Die Verbindungen, nach denen Sie suchen, tragen Sie in sich. Und Sie werden auch mit Ihrer Waffe nichts erreichen. Sie werden der Polizei nichts beweisen können, Sie werden mir nichts beweisen können – und am allerwenigsten sich selbst. Sie stecken in einer Sackgasse.«
»Er hat recht«, murmelte Sylvie Engberts mit einem Seitenblick zu ihrem Mann.
»Sehen Sie es ein. Sie sind am Ende«, fügte Engberts kalt hinzu. »Gehen Sie mit Ihrem Stick ruhig zur Polizei, und wenn Sie sich für einen Mörder halten, stellen Sie sich. Man wird herausfinden, was stimmt und was nicht. Es ist alles einfacher, als Sie denken.« Sylvie Engberts nickte zu den Worten ihres Mannes.
Marlon runzelte die Stirn. Die beiden versuchten doch glatt, ihn zu bluffen. Hier würde er nicht weiterkommen. Er starrte
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