Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache
als ich nach ihm sehen wollte, fand ich ihn blutüberströmt auf dem Parkplatz. Ich weiß bis heute nicht, was geschehen ist. Vermutlich geriet er in Streit mit einem Dealer, vielleicht wegen Geld.« Alex zuckte mit den Schultern und verschränkte die Arme vor der Brust. »Er hat Benji ein Messer in den Bauch gerammt und die Aorta getroffen. Benji starb in meinen Armen. Der Täter wurde nie gefunden. Und so, nun, so bin ich zur Polizei gekommen.«
Marcus betrachtete Alex und schob eine Unterlippe vor. »Weil du den Mörder deines Freundes fassen willst?«
»Nicht wirklich. Aber in gewisser Weise schon, ja.«
»Und was würdest du tun, wenn du ihn finden würdest? Wenn du ihm gegenüberstündest mit deiner Dienstwaffe in der Hand? Schon mal darüber nachgedacht?«
O ja, in tausend wachen Nächten …
»Ich weiß es nicht. Ich hoffe, ich würde ihn nur verhaften.«
»Mhm.« Marcus sah Alex ruhig an. »Was kann ich für dich tun?«
Alex kaute noch einen Moment lang auf der Unterlippe und schluckte die Fragen hinunter, die ihr auf der Zunge lagen. Ein Unfall. Ungeklärt. Die Frau eines Polizisten. Aber dies war nicht der Zeitpunkt. Sie hatte das Gefühl, dass Marcus nicht weiter darüber reden wollte. Deswegen zog sie ihre schwarze Lederkladde unter dem Arm hervor.
»Also, ich weiß, wie mein Aufgabenfeld hier definiert ist, und ich will mich auch nicht falsch verstanden wissen, aber ich bin nun einmal entsprechend vorgebildet, und es gibt da einige Dinge …«
»Schon klar. Was hast du da?«, unterbrach sie Marcus und deutete auf die Kladde.
»Meine Hausaufgaben«, sagte Alex und lächelte verlegen.
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11 .
N achdem Alex und Marcus etwa eine halbe Stunde miteinander gesprochen hatten, ließ Marcus Schneider in sein Büro rufen. Während sie darauf warteten, dass er aus dem Labor nach oben kam, sah Marcus schweigend aus dem Fenster. Nur einmal drehte er sich um und ließ sich von Alex bestätigen, dass sie sich ihrer Sache absolut sicher sei.
»Ach, Frau Doktor«, hörte sie Schneider sagen, als er schwer atmend in das Büro trat.
»Hallo.« Alex meinte zu spüren, wie sein Blick über ihre Beine, Arme und Brüste wanderte.
»Rolf, setz dich bitte«, forderte ihn Marcus auf.
Schneider nahm ächzend neben Alex am Besprechungstisch Platz und steckte sich eine Pall Mall an. »Jetzt bin ich aber mal gespannt, Meister.«
»Der Meister bin in diesem Fall nicht ich, sondern Alex. Ich denke, sie kann uns weiterhelfen. Ich möchte sie in die Ermittlungen einbinden. Schließlich ist sie entsprechend ausgebildet, und auch wenn ich den Mord im Kornfeld nicht vorhersehen konnte: Ich habe sie genau für so einen Fall angefordert, damit wir nicht noch mal so dämlich dastehen wie damals bei der Kindergartensache, sondern einen Profi vor Ort haben.«
Profi. Alex’ Herz machte einen Sprung. Sie hätte Marcus küssen mögen. Aber sicher nicht vor Schneider. Am besten überhaupt nicht. Was für ein dummer Gedanke. Wobei er nicht unattraktiv war.
»Ach so, ja sicher.« Schneider stieß den Rauch durch die Nase aus. Handtellergroße Schweißflecken hatten sich unter den Achseln seines weißen Kurzarmhemds gebildet, und er scheute sich nicht, sie zur Schau zu stellen, als er die Arme hinter dem Kopf verschränkte.
»Ich will niemandem zu nahe treten, Rolf«, sagte sie.
»Kein Problem. Mir ist jede Hilfe willkommen. Und dass in einem schlanken Körper ein wacher Geist wohnt, hat ja schon dieser Dingenskirchen gesagt.«
»Er hat es nicht ganz so gesagt, und es war Iuvenal. Ein römischer Satiriker.« Alex grinste und legte den Kopf schief.
»Siehste, Marcus«, sagte Schneider, »ein Spaßvogel war das sogar auch noch, der feine Herr Juventus. Mensch, Frau Gräfin, du solltest mal zum Jauch.«
»Okay.« Marcus setzte sich in seinen Ledersessel. »Dann schieß los, Alex. Danach sehen wir, ob Rolf etwas Neues hat.«
»Gut. Ich habe in der letzten Nacht ebenfalls ein wenig recherchiert, unter anderem über Kornkreise, und ich fand auch deine Ergebnisse sehr interessant, Rolf. Es handelt sich bei unserem zwar um eine einfache Struktur, aber ich glaube kaum, dass ein Einzelner sie alleine angelegt haben kann. Killer unseres Typs sind jedoch gewöhnlich Individualisten, einsame Wölfe. Worauf ich hinauswill: Jeder könnte diesen Kornkreis angelegt haben, vielleicht war es ein Ulk oder sogar ein Projekt von Studierenden der Fachhochschule hier vor Ort – du hattest erwähnt, dass es ähnliche Kreise in England gegeben
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