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Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache

Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache

Titel: Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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nicht erzwungen. Es gab eindeutige Sekretreste. Es wurde auch eine Blutspur unter ihrem Fingernagel gefunden, die vielleicht vom Täter stammt. Das wird auf DNA -Spuren untersucht werden.«
    »Das ist immerhin etwas. Wann wissen wir mehr?«, fragte Marcus, nahm sich den Bericht und knibbelte an seiner Unterlippe.
    »Heute Nachmittag müssten wir mehr wissen. Spätestens morgen haben wir zudem weitere Ergebnisse aus dem kriminaltechnischen Labor.«
    Es klopfte, und ohne eine Antwort abzuwarten, schob Reineking sein spitzes Gesicht durch den Spalt. In seinen Geheimratsecken glitzerten kleine Schweißperlen, das Pflaster auf seiner Nase hatte sich an einer Ecke gelöst.
    »Wir haben sie«, sagte er mit seiner piepsigen, fast weiblichen Stimme. »Jemand hat eine weggeworfene Geldbörse gefunden. Die Papiere passen zu unserem Opfer. Ich denke, die Identität steht fest. Wir können loslegen.«

[home]
    12 .
    A ls Marlon auf dem Weg zur Redaktionskonferenz an einem leeren Schreibtisch vorbeiging, fragte er beiläufig: »Wisst ihr eigentlich, wie lange Sandra noch weg ist?«
    Eddie zuckte mit den Achseln. »Warum?«
    »Nur so.«
    »Eine Woche noch«, sagte der Regionalreporter Micha Meier, der hinter ihnen ging. »Die liegt bestimmt längst mit ihrem Stecher in der Sonne.«
    Marlon drehte sich um. »Ihrem Stecher?«
    »Ja«, sagte Micha. »Sie hat doch diesen Typen von der Fachhochschule. Roman König. Wusstest du das nicht?«
    Marlon schüttelte den Kopf. Er hatte keine Ahnung gehabt, dass Sandra einen neuen Freund hatte. Warum hatte sie dann …
    »Meines Wissens wollten die eine Woche nach Samos.«
    »Ach.«
    »Was ist los, Kraft?«, fragte Micha, grinste breit und boxte Marlon gegen die Schulter. »Wieder Interesse?«
    »Leck mich«, grunzte Marlon und drehte sich wieder um. Tatsächlich war ihm ein Riesenstein vom Herzen gefallen. Sandra war auf Samos – und nicht von einem Mähdrescher zerfetzt worden.
     
    In der Redaktionskonferenz saß Marlon in sich versunken, schlürfte gelegentlich einen Schluck Kaffee und gab sich alle Mühe, aufmerksam zu wirken. Chefredakteur Eugen Roloff thronte am Kopfende des langen schwarzen Tisches, an dem die übrigen Ressortleiter, Sonderthemen-Redakteure, Producer und Fotograf Eddie Platz genommen hatten. An den weißen Wänden hingen gerahmte und in Passepartouts eingefasste Titelseiten der
Neuen Westfalenpost
mit Schlagzeilen wie »Krieg am Golf«, »Putsch in Moskau«, » RAF ermordet Schleyer«, »Brandt tritt zurück«, »Erste Schritte auf dem Mond«, » US -Präsident Kennedy erschossen«, »Krieg in Vietnam«.
    Nach der Blattkritik und Terminbesprechung stellten die Ressorts ihre Themen vor und benannten die jeweilige Rangfolge nach Aufmacher und Artikeln, die weiter unten auf der Seite plaziert werden konnten. Eddie machte sich Notizen zu den Geschichten, für die noch Bilder notwendig waren.
    Dann sprach Roloff Marlon an, der gedankenverloren aus dem Fenster gestarrt hatte. »Haben wir was Neues von dem Mord?«
    Marlon schüttelte den Kopf und stellte seinen in die Ferne gerichteten Blick wieder scharf. »Bisher noch nicht. Vielleicht im Laufe des Tages.«
    »Wir müssen nachlegen«, sagte Roloff, und Jonas Hellmann, sein Stellvertreter und Chef der Lokalausgaben der
Neuen Westfalenpost,
nickte beflissen, wobei er sich wie gewöhnlich Mühe gab, mindestens so professionell auszusehen wie der Vize der
Washington Post.
    »Fürs Lokale müssen wir auch was machen«, ergänzte Hellmann und drehte den Kugelschreiber in seinen Fingern.
    Marlon lupfte die Augenbrauen. Wichtigtuer wie Hellmann gingen ihm auf die Nerven. Das war beim
Express
in Düsseldorf nicht anders gewesen. Seit Marlon wieder bei der
Neuen Westfalenpost
war, hatte er diesen Hellmann regelrecht gefressen. Er litt an einer besonders schweren Form des Stellvertreter-Syndroms, und Typen wie er, in deren Adern nicht ein Tropfen Druckerschwärze floss, gehörten nach Marlons Meinung besser hinter Sparkassenschalter. Erschwerend kam hinzu, dass der Redaktionsbürokrat sich verschiedentlich an Sandra herangemacht hatte. Marlon machte sich nicht die Mühe, die Antipathie zu verstecken. Er war sich seiner exponierten Stellung bewusst. Sein Chef Roloff war durch und durch Profi und wusste, dass Marlons leichter Boulevard-Stil heute gefragt war – auch wenn er persönlich als Ex-Agenturmann nichts damit anfangen konnte.
    »Fürs Lokale müssen wir auch noch was machen, ganz recht«, wiederholte Marlon Hellmanns Worte.

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