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Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache

Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache

Titel: Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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hatte
nichts,
gar nichts von dem mitbekommen, worüber Marcus gerade gesprochen hatte.
    Dumme Kuh. Du bist eine blutige A-n-f-ä-n-g-e-r-i-n. So wird das nie was, Misses dummes kleines Mädchen Sonderermittlerin Clarice Starling.
    Alex hätte sich vor den Kopf schlagen mögen oder, besser noch, im Erdboden verschwinden. Sie konnte sich das nicht verzeihen. Selbst wenn einer wie Marcus bei jedem ihrer Sprünge ins kalte Wasser wie ein Bademeister am Beckenrand stehen würde, um ihr im Notfall einen Rettungsring zuzuwerfen. Sie wollte das nicht. Er sollte keinesfalls das kleine dumme Mädchen in ihr sehen.
    Als Marcus den Rückwärtsgang einlegte und den Wagen auf die Straße steuerte, beschloss Alex, das Gleichgewicht zwischen ihnen wiederherzustellen. »Darf ich dich etwas fragen?«
    Marcus nickte, und Alex zögerte einen Moment. Dann fasste sie sich ein Herz. »Diese Sandra Lukoschik, hast du sie gekannt?«
    Marcus presste die Lippen aufeinander.
    »Ja«, sagte er tonlos. »Habe ich.«

[home]
    15 .
    D as Luisenstift sah aus wie ein exklusives Hotel aus der Belle Epoque am Comer See. Die Flügeltore aus Gusseisen hatten sich automatisch geöffnet. Mit leisem Knirschen rollte Marlons Cabrio über den weißen Kies. Sprinkler verrichteten links und rechts des Weges ihren Dienst auf den weitläufigen Rasenflächen. Hinter dem Hauptgebäude ging das Grün des Parks mit seinen vielen Rosenbeeten und kunstvoll geschwungenen Buchsbaumhecken in das tiefe Blau des Stausees über.
    Marlon stellte seinen Wagen zwischen zwei Jaguars ab. Daneben parkten Mercedes-Limousinen und ein nobler schwarzer Geländewagen. Eine attraktive rothaarige Mittvierzigerin ging mit kleinen Schritten und starrem Blick an ihm vorbei. Trotz der Hitze trug sie einen Jogginganzug. Als sie Marlon lächelnd ansah, musste sie den ganzen Kopf zu ihm drehen, weil die weit aufgerissenen Augen offenbar nicht ihren Befehlen gehorchen wollten.
    »Guten Tag, ist das nicht ein herrliches Wetter?«
    »In der Tat«, antwortete Marlon und ging die Treppenstufen hoch. Erst jetzt sah er, dass die rechte Hand der Frau in einem Tremor rotierte, als rührte sie in Gedanken das Badewasser um. Er atmete noch einmal tief durch.
    Bist du wirklich sicher? Nein. Aber wer ist das schon …
    Er ging hinein.
    Unter dem Arm trug Marlon außer seinem Notizblock eine Mappe mit Fotokopien, in seiner Hosentasche steckte ein kleines MP 3 -Diktiergerät. Er hatte sich sämtliche Texte aus dem Archiv heraussuchen lassen, »Finale für den Pupurdrachen« hatte es besonders in sich. Die typische Marlon-Kraft-Überschrift stand in großen Lettern über seiner Autorenzeile und dem Porträt von Jürgen Roth. Die
Neue Westfalenpost
hatte den Text damals noch vor der Gerichtsverhandlung gebracht. Es war Marlons erster gewesen, nachdem er von dem Streifschuss am Kopf wieder genesen war, und zugleich einer der letzten vor seinem großen Zusammenbruch. Über den Prozess selbst hatte er nicht mehr berichten können.
    Roths Eltern hatten ihn zuvor zu sich auf das Anwesen eingeladen. Sein Vater war bereit gewesen, von seinem Sohn zu erzählen, und hatte sich öffentlich entschuldigen wollen. Er saß im Empfangsraum des alten Gutshofes in einem Tweedanzug und grünem Pullunder und rauchte eine Pfeife, als er seine Erklärung abgab. Das Gesicht war aschfahl und von tiefen Falten zerfurcht. Der Saal war mit antiken Möbeln zugestellt und diese wiederum mit chinesischem und japanischem Porzellan gepflastert. Die edelsten Stücke waren in wuchtigen Vitrinen ausgestellt.
    In dem Text hatte Marlon versucht, ein detailliertes Bild von Roth zu zeichnen, und auch Auszüge aus seinem Pamphlet über die Manipulation beim Lotto abgedruckt. Er hatte geschrieben, dass Roth eine völlig normale Kindheit erlebt habe, dass bei seinem Abitur eine Eins vor dem Komma gestanden wäre, wenn er nicht die Schule seiner Krankheit wegen habe abbrechen müssen, dass er niemals einer Fliege etwas zuleide getan hätte und sein Vater ihn als völlig harmlos einstufte. Etwas wunderlich sei der Junge schon immer gewesen, aber in gewisser Weise auch ein Genie. Zahlen hätten ihn stets fasziniert, wodurch er letztlich in die Spielsucht getrieben worden sei, was die Familie am Ende um die zweihunderttausend Euro gekostet habe. Nur im Backgammon-Club habe er einige persönliche Kontakte gefunden, weil die anderen Mitglieder ihn wegen seiner überragenden Fähigkeiten schätzten und dafür sein merkwürdiges Verhalten in Kauf nahmen.

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