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Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache

Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache

Titel: Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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war, wie schrecklich sich das Fremdschämen für die eigene Mutter anfühlte, wenn sie sich mit verschmierter Schminke zeigte, weil sie betrunken die Konturen des Lippenstifts nicht mehr richtig ziehen konnte, und dass genau das der Grund dafür war, weshalb Alex sich vor Jahren geschworen hatte, niemals vor anderen aus der Rolle zu fallen.
    Doch als sie ihre Mutter mit einem Strauß Blumen besuchte und in dem kleinen Schränkchen neben dem Krankenhausbett drei leere Piccolos entdeckte, platzte Alex der Kragen. Sie schrie ihre Mutter an, dass sie jederzeit bereit sei, sie in eine Alkoholklinik zwangseinweisen zu lassen, wenn sie nicht endlich aus eigenen Stücken eine Therapie angehen würde, und dass Dad dann eben gegen seine eigene Tochter klagen müsse, wenn er das verhindern wolle. Aber Mama behauptete wie immer, dass sie den Sekt nur für den Kreislauf brauche und in Italien sich kein Mensch aufregen würde, wenn mittags schon Wein getrunken werde.
    »Wie lange willst du noch wegschauen?«, stellte Alex am selben Abend ihren Vater zur Rede. Doch er baute sich nur vor ihr auf und zischte, sie solle sich nicht in die Angelegenheiten ihrer Eltern mischen und vor allem nicht in diesem Ton mit ihm reden. »Irgendwann kehren sich die Rollen aber um, Dad – irgendwann kommt der Punkt, an dem die Kinder den Eltern sagen, was klug ist und was nicht. Dieser Tag ist jetzt da.« Ihr Vater hatte sich stumm umgedreht und sie wie einen begossenen Pudel auf dem Flur stehen lassen.
    Sie würde Julia sagen, dass sie am Wochenende nicht kommen konnte und sich eine Ausrede einfallen lassen. Aber am Telefon war nicht Julia.
    »Marcus hier, hallo Alex.«
    »Marcus? Was verschafft mir die Ehre?«
    Zumal ich gerade splitterfasernackt bin …
    »Tut mir leid, wenn ich dich so spät störe, aber … Kennst du das
Buffalo?
«
    Natürlich kannte sie den Laden. Ein House-Club mit großer Außengastronomie in der City. Ziemlich angesagt und ziemlich schick. »Ist das eine Einladung zu einem nächtlichen Date, Chef?«, fragte Alex.
    »Tja«, entgegnete Marcus. »Nicht wirklich.«

[home]
    22 .
    A lex wusste nicht, wovor Waldo van Zandt und Enzo Zefirelli mehr Angst hatten: vor der Polizei, vor dem, was in ihrem Keller schlummerte, oder davor, dass die Gäste merkten, was am Personaleingang vor sich ging, und das
Buffalo
verschreckt in Scharen verließen. Beide standen vor der schweren Feuerschutztür, scharrten nervös mit den hellen Slippern im Kies, rauchten und waren im aufgeregten Gespräch mit Marcus und Reineking um Schadensbegrenzung bemüht. Marcus stellte Alex die beiden Betreiber des
Buffalo
kurz vor – den ganz in Weiß gekleideten Italo-Deutschen Zefirelli und den braungebrannten Niederländer mit auffälligen Jacketkronen van Zandt – und übergab das aufgeregte Duo dann an Reineking, um Alex am Arm in das Innere zu führen.
    »Die beiden Idioten«, zischte Marcus im Gehen, »haben einen Mordsaufstand gemacht, weil die Spusi ihnen den Laden dichtmachen wollte.«
    »Und, wie hast du reagiert?«
    »Ich habe die Wogen geglättet und einen Kompromiss gefunden. Wenn ich einen solchen Betrieb zu dieser Zeit schließe, kann ich den fünfhundert Gästen auch auf die Stirn tätowieren, was wir hier gefunden haben. Ich bin eher froh, wenn niemand etwas mitbekommt. Und wo eine solche Masse seit zwei Stunden rumtrampelt, wird die Spusi ohnehin nichts mehr finden. Zumal uns an und für sich nur der Versorgungsbau interessiert …«
    »Aber sind nicht potenzielle Zeugen unter den Gästen, die …«
    Marcus blieb stehen und warf Alex einen Blick zu, als wollte er sagen: Höre ich noch ein Wort darüber, wie ich meinen Job machen soll, und du warst die längste Zeit Polizistin.
    Alex biss sich auf die Lippen.
    Das
Buffalo
war spektakulär, zumindest für eine Mittelstadt, und hatte Alex bei ihrem ersten Besuch eher an das neue Düsseldorfer Medienviertel erinnert, in dessen Kneipen sie während des Studiums gekellnert hatte, als an westfälischen Mief. Auch heute war die weitläufige, mit Tropenholzdielen ausgelegte und im Kolonialstil gehaltene Außenterrasse bis auf den letzten Platz gefüllt. Kellnerinnen mit langen weißen Schürzen und eng sitzenden Tops tanzten zu gedämpfter Lounge-Musik ihr Ballett mit Tabletts voller Mojitos, Caipirinhas und langen Weißbiergläsern zwischen den Tischen, an denen sich die gesamte sonnenverbrannte Jugend der Stadt versammelt zu haben schien. Innen war das
Buffalo
mit einer langen Theke in

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