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Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache

Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache

Titel: Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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moderner Eiche ausgestattet. An den dunklen Esstischen vorbei führte ein purpurroter Theatervorhang in den Kern des Clubs. Die Tanzfläche bestand aus auf Hochglanz poliertem Chromblech. Über den mit Spiegeln verkleideten Schnapsregalen schwebten die Namensgeber des
Buffalo
wie die Fetische des Gottes der Lebensfreude, dem hier mehrmals in der Woche in ekstatischen Ritualen zu Deep House und Black Music gehuldigt wurde: bleiche Longhorn-Büffelschädel.
    Die Eingeweide des
Buffalo
waren wie in allen Großgastronomien weitaus weniger sehenswert – nämlich ausschließlich auf Funktionalität ausgerichtet. Marcus führte Alex eine Metalltreppe hinunter, die in einen schier endlosen, von Neonleuchten erhellten Gang mündete. Es war angenehm frisch dort unten. Das Geräusch ihrer Schritte mischte sich mit dem dumpfen Dröhnen der House-Bässe von oben. Links und rechts standen Getränkekisten. Alex sah einen Raum voller Bierfässer, die mit in der Decke verschwindenden Schläuchen verbunden waren. An einer Biegung stand ein junger Polizeibeamter. Er war fast so weiß wie die gekalkten Wände und hatte sich unübersehbar gerade übergeben. Im Vorbeigehen tätschelte ihm Marcus väterlich die Schulter.
    Den Heizungsraum, in dem sich auch die Lüftungsanlage einschließlich der Klimaaggregate befand, hatte die Spurensicherung bereits in Beschlag genommen. Schneider grüßte kurz und gesellte sich dann wieder zu den anderen Beamten, die zwischen den technischen Installationen in ihren weißen Papieroveralls Astronauten an Bord eines Raumschiffs glichen. Das Blitzlicht des Fotografen leuchtete auf und tünchte die mit von Polizeistrahlern erhellte Szenerie in ein noch gleißenderes Licht.
    »Du hattest leider recht, Alex«, brach Marcus das Schweigen und klemmte sich die Hände unter die Achseln. »Er hat gerade erst begonnen. Das hier ist also unsere Nummer zwei.«
    Die Frau hing mit langgestreckten Armen an einem Lüftungsrohr. Rote Stricke waren um die Hände und das verzinkte Metall gebunden. Die steifen Zehenspitzen berührten noch den Boden und hatten durch das Baumeln des Körpers Kreise in die klebrige Blutlache gezeichnet. Der Kopf war zur Seite geknickt. Darüber war eine durchsichtige Plastiktüte gezogen, die am Hals mit breitem Klebeband umwickelt war. Das entsetzte Gesicht war wie zu einem stummen Schrei eingefroren. Durch das Überstrecken des Körpers war das bauchfreie Oberteil über die Brüste gerutscht und legte die klaffende Wunde frei: Vom Brustbein bis zum Schambein war der Bauchraum mit einem einzigen Schnitt geöffnet worden. Die Gedärme hingen heraus.
    Alex zwang sich, nicht durch die Nase zu atmen. Der Gestank nach Blut war bestialisch. Ihre Blicke tasteten den Raum ab und suchten nach Anhaltspunkten. Wieder Blitzlicht vom Fotografen. Ein Beamter, der eine am Boden liegende Geldbörse umdreht. Schneider, der sich durch das Gesicht wischt und einen großen Ausfallschritt über die Blutlache macht. Ein rot bespritzter Heizkessel.
    »Darf ich?« Alex deutete auf die Absperrung.
    Marcus nickte stumm, und sie tauchte unter dem Absperrband hindurch. Eine Zeitlang stand sie mit verschränkten Armen am Rande des Geschehens und studierte die Szenerie mit wachem Blick. Die Augen wanderten durch den Raum und kehrten immer wieder zu der Leiche zurück. Schließlich trat Alex näher und betrachtete den Körper im Detail, als suche sie in einem Museum vor einem Rubens-Gemälde nach dem Duktus im Pinselstrich des Meisters. Ein Mann mit kahl rasiertem Schädel sah von seinen Notizen auf und sah empört zu Marcus, der als Zeichen, Alex gewähren zu lassen, nickte.
    Sie kniete sich hin, legte den Kopf schief und nahm die Spuren in der Blutpfütze in Augenschein, die die Zehen der Frau wie ein Mandala gezeichnet hatten. Schließlich stand sie wieder auf und musterte die Beweismittel, die teils die Spurensicherung bereits in Tüten verpackt hatte und teils noch auf dem Boden lagen und mit weißen Kreisen umrandet worden waren. Dann machte sie einen großen Schritt über die rote Lache. Doch nicht weit genug. Mit dem Absatz trat sie in den Rand der Pfütze. »Shit«, zischte Alex, und ihr Gesicht lief rot an. Ihr rechter Schuh stempelte ein in Blut gezeichnetes Profil auf den graubraunen Estrich, als sie zu den anderen ging. Schneider, der neben Marcus stand, zog die Augenbrauen hoch.
    »Das«, sagte Alex und räusperte sich, »ist mir sehr peinlich. Entschuldigung.«
    »Ist ja bloß ein Mordtatort«, seufzte

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