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Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache

Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache

Titel: Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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an der Oberfläche zerplatzten. »Marcus und ich«, begann er dann, »waren schon in der Schule Freunde. Als ich dann wegging, brach der Kontakt ab. Sie kennen das: Wir müssen uns unbedingt mal wieder treffen. Klar, müssen wir. Aber jeder geht seinen eigenen Weg. Und dann werden die Kontakte immer weniger. Ich war zuletzt beim
Express
in Düsseldorf …«
    »Düsseldorf?«, fragte Alex interessiert nach. »Ich stamme aus Düsseldorf.« Sie griff sich einige Bierdeckel und legte sie wie ein Mosaik auf der Theke aus. Es sah aus, als bereite sie gerade ein Memory-Spiel mit ihm vor. Sie würde es gewinnen, in Marlons Erinnerungszentrum gab es einfach zu viele schlecht bis gar nicht funktionierende Schnittstellen.
    »Man hört es noch ganz leicht an Ihrem Akzent«, grinste Marlon. »Ich war Polizeireporter. Da war immer schwer was los. Ganz anders als hier. Aber wem sage ich das. Die härteste Geschichte damals, vielleicht haben Sie es sogar gelesen oder davon gehört, war die Sache mit dem Killer von der Kö …«
    »Ich erinnere mich daran«, antwortete Alex, zog an der Zigarette und sah ihn wieder auf diese überhebliche Art und Weise an, als wollte sie sagen: »Gibst gerne etwas an mit deinen großen Taten, nicht?« Ja, scheiße, na und? Sicher tat er das gerne. Erst recht gegenüber einer gutaussehenden Frau, die einen Knopf zu viel an der Bluse geöffnet hatte, und noch viel mehr, wenn er blau und vertrauensselig war.
    »Der Killer von der Kö – meine Überschrift. Ich habe ihm diesen Namen verpasst. Es war ein Polizist. Eines Tages knallte er durch, setzte sich eine Strumpfmaske auf und erschoss auf der Königsallee am helllichten Tag wahllos zwei junge Männer und tauchte unter. Seine Identität stand sehr schnell fest. Der Mann führte ein Doppelleben, ging in den Schwulenclubs ein und aus und war auch eine Nummer in der Stricherszene. Ich habe im Zusammenhang mit den Hinrichtungen auf der Kö darüber berichtet. An dem Tag, als der Text erschien, schlich sich der Polizist in sein Einfamilienhaus in Kaiserswerth. Es wurde zwar bewacht, aber nicht gut genug. Er erschoss seine Frau sowie seine beiden Kinder und ließ sich dann bereitwillig festnehmen. Die ganze Zeit über schrie er: Ich bin nicht schwul, ich bin nicht schwul!« Marlon machte eine Pause und trank einen weiteren Schluck.
    »Sie fühlen sich dafür verantwortlich, weil Sie meinen, der Polizist hätte seine Familie nicht erschossen, wenn Sie nicht über seine Homosexualität geschrieben hätten.«
    »Wird das hier eine Therapiestunde?«
    Alex antwortete nicht und fuhr stattdessen mit der Spitze der Zigarette in dem Aschenbecher herum. »Was geschah weiter?«
    Für einen kurzen Moment überlegte Marlon, es ihr zu sagen. Alkohol. Drogen. Dann Schulden. Der ganze Mist. Der Zwang, die Schuldgefühle zu betäuben. Aber sie war immerhin Polizistin, und er, nun, er spielte gerade mit dem Feuer wie ein zündelnder Junge. Aber bislang hatte er ihr noch nichts erzählt, das sie von Marcus nicht auch würde erfahren können. Offene Geheimnisse. Warme Luft, die sie dennoch begierig aufzusaugen schien.
    Quid pro quo. Abwarten. Gleich bist du an der Reihe, Süße.
    »Na ja, manchmal rücken die Dinge zu nahe«, antwortete er. »Man reitet auf der Spirale, die geradewegs nach unten führt, wenn Sie verstehen. So kam ich irgendwann zu der
Neuen Westfalenpost
und damit zurück in meine Heimatstadt …«
    »In ruhigeres Fahrwasser.«
    »Bedingt. Einige Jahre lief alles ganz gut. Bis ich vor drei Jahren in eine Geiselnahme in einem Kindergarten geriet.«
    »Ich habe davon gehört, ja.« Alex nahm die Bierdeckel wieder zu einem Haufen zusammen, um sie in zwei gleich große Stapel zu schichten und vorsichtig aneinanderzuschieben.
    »Umso besser.« Marlon schloss für einen Moment die Augen. Die Bilder liefen wie ein Film vor seinem inneren Auge ab. Zerplatzende Teddys. Kreischende Kinder. Scherben. Blut. »Na ja, seither leide ich an dieser posttraumatischen Störung, Sie werden sich mit so was auskennen …«
    »Ein wenig«, sagte Alex. »Sie sind in Behandlung?«
    »Nur noch sporadisch. Meine Psychologin hat mich mit neuen Medikamenten behandelt, im Rahmen einer Studie – vielleicht kennen Sie das Zeug, C- 12 .«
    Alex sah Marlon durchdringend an. Ein langes Stück Asche fiel von ihrer Zigarette ab. Das Gespräch entwickelte sich immer mehr zu einer Vernehmung. Aber solange er noch die Zügel in der Hand behielt und sicher im Sattel saß, machte Marlon sich

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