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Alfons die Weihnachtsgans

Alfons die Weihnachtsgans

Titel: Alfons die Weihnachtsgans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Koester-Loesche
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mehr lange, Herr Meier. Bald können Sie sich mit einem starken Grog aufwärmen. Oder auch zwei.«
    »Freu mich wahnsinnig drauf.«
    So hörte es sich nicht an. Tore zog die Augenbrauen in die Höhe und versuchte festzustellen, wie Meier es wirklich meinte. Aber der presste die Lippen zusammen und wandte das Gesicht ab.
    »Wenn wir erst einmal die scharfe Linkskurve hinter uns haben, sind wir ganz schnell auf Langeness«, tröstete Opa Fedder seinen Gast, ohne sich umzudrehen. Denn sie verließen jetzt das Halligland, und neben den Schienen begannen im Scheinwerferlicht Eisschollen sichtbar zu werden und Wasser aufzublitzen.
    Fedder fuhr jetzt zuweilen schneller, dann drosselte er den Motor wieder. Die Strecke über Wasser erforderte seine ganze Konzentration.
    Plötzlich stieß er einen leisen Fluch aus und bremste die Lore ab, bis sie stillstand. Dann sprang er vom Wagen und folgte den Schienen. Meier drehte sich in Fahrtrichtung um, und Tore reckte den Hals, um an ihm vorbei nach vorne zu schauen.
    Fedder kehrte mit einem dicken Tauende in der Hand zurück und zeigte es seinem Gast, bevor er es in einem Plastikbeutel verstaute. »Das stammt von einem seegehenden Schiff. Kommt immer wieder vor, dass solche Teile von derNordsee ins Wattenmeer hereingeschwemmt werden.« Seine Wimpern und sein Bart waren inzwischen weiß vom gefrierenden Nebel. Mühelos federte er rückwärts in die Höhe und kam zum Sitzen auf seine Plattform. Seine Füße baumelten seitwärts herunter, und er konnte jederzeit abspringen.
    Tore war richtig stolz auf seinen sportlichen Opa. Dagegen sah Meier mit seinem spärlichen Ziegenbart und den paar dunklen Locken unter der Pudelmütze aus wie ein zerzaustes, verfrorenes Teichhuhn.
    »Und warum werfen Sie es nicht einfach weg?«
    »Damit es nicht erneut irgendwo auf den Schienen liegenbleibt. Man muss das Zeug entsorgen. Wehe, wenn ein Lorenführer schläft und es übersieht!«
    »Was passiert dann?« Meiers Interesse war weiterhin sehr mäßig. Aber er hatte Angst. Tore nicht. Sein Opa passte immer auf.
    »Na, ja«, sagte Fedder vorsichtig. »Die Lore kann schlimmstenfalls umstürzen.«
    »Und dann?«
    »Die Fahrgäste können sich natürlich verletzen. Sie sehen ja die großen Steine, auf denen die Schwellen und die Schienen verlegt sind. Wenn man da draufknallt – eine Rippe kann es schon kosten.«
    »Passiert das öfter?«
    »Zwischen Oland und Langeness eher selten. Bei Hochwasser werden große Gegenstände meistens über die Schienen hinweggeschwemmt. In Festlandsnähe ist die Strömung schwächer, da bleiben sie schon mal auf den Schienen liegen. Bei Dunkelheit und Nebel, oder wenn man sich verspätet hat und bei Seegang durch Wasser fahren muss und nichts sieht, da kann man draufbrummen und umkippen. Es hängt auchvom Fahrer ab. Ich habe noch keinen solchen Unfall gehabt. Ich fahre diese Strecke um die vierzig Jahre.«
    »So, so.« Meier wirkte erleichtert.
    »Opa, sieh doch mal. Da liegt ein nagelneuer Gummistiefel im Schlick«, sagte Tore mit einem aufreizenden Grinsen, das Meier zugedacht war, und zeigte nach unten. Direkt neben der Lore lag ein derber grüner Arbeitsstiefel mit weitem Schaft.
    »Ist bestimmt von einer Yacht heruntergeweht, Tore, und hier angetrieben worden.«
    »Jetzt, im Winter? Von einer Yacht«, fragte Tore betont. Er verzichtete jedoch darauf, anzumerken, dass Stiefel für Segler anders aussahen. Auch war kein Emblem einer Sportfirma zu erkennen. Er kannte sich damit aus, das Boot seiner Familie gehörte dem Yachtclub von Schlüttsiel an.
    Opa blickte Tore so streng an, dass er wusste, was er sollte. Es gehörte sich nicht, einem Gast Angst zu machen. Und Herr Meier war eine Landratte aus Gegenden, in denen man Knödel aß.
    »Na, gut«, murmelte Tore. Er wusste es zwar besser, aber an Weihnachten war natürlich Gnade für Angsthasen angesagt.
    Es ging weiter. Der Nebel hing tief über ihnen, und obendrein war das Tageslicht im Schwinden. Opa Fedder fuhr in gleichmäßigem Tempo dahin. Unter ihnen ratterten die eisenbereiften Räder über die Schienen.
    Keiner sprach. Tore hatte seine zweite Hand längst aus dem Käfig zurückgezogen und zur anderen ins Warme geholt. Alfons hatte den Schnabel unter dem Gefieder versteckt. Herr Meier war bis zur Nasenspitze in der Wolldeckeverschwunden, die ihm jetzt nur bis zu den Unterschenkeln reichte. Seine Halbschuhe rieben unaufhörlich aneinander. Es war nervig. Tore wandte sich ab und döste trotz der Kälte allmählich

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