Alfons die Weihnachtsgans
konnten, wenn ihnen danach zu Mute war.
Tore war so schnell aus dem Auto, dass die Wagentür hinter ihm offenblieb. Die Stalltür auch. Gleich dahinter bremste er ab. Die Augen auf den behelfsmäßigen Verschlag aus Bohlenwänden gerichtet, den es früher nicht gegeben hatte, wäre er auf dem glatten Beton fast hingefallen.
Die Box war gemütlich mit einer dicken Strohlage ausgestreut, und darin gründelte gerade eine Gans bis über die Augen, die Schwanzfedern in die Höhe gestreckt.
»Alfons?«, rief Tore leise. Und tatsächlich tauchte der Ganter sofort auf und starrte ihn an, Halme auf dem Scheitel wie ein Babymützchen. Tore lockte ihn mit schnalzenden Fingern.
Alfons watschelte gemächlich heran und streckte wie gewohnt den Kopf, um sich am Kinn kraulen zu lassen.
Plötzlich standen Anke und Käte hinter Tore.
»Na, was sagst du?«, fragte Anke. »Besser als ein Flur, stimmt’s? Man sieht seine Köttelchen im Stroh gar nicht.«
»Ja, aber wie lange?«, fragte Tore reserviert.
»Da hast du recht, ich kann ihn natürlich nicht hier drin haben, wenn Gäste da sind ...«
»Bis zum Sommer ist er doch längst gegessen«, warf Tore erbost hin.
»Nein, Tore!«, rief Anke entgeistert. »Wie kannst du so etwas von mir denken? Ich werde doch keinen Ganter ermorden, der so verständig Hilfe holte. Er ist ein wahrer Rettungsganter! Wer würde denn einen solchen Schatz braten? Deine Oma etwa?«
»Nein, das könnte ich auch nicht«, sagte Käte wie aus der Pistole geschossen. »Rettungsganter ist Rettungsganter! Und vom Rettungswesen verstehe ich schließlich etwas. Man müsste Alfons sogar ein rotes Kreuz auf das Gefieder heften, damit jedermann seinen beruflichen Stand erkennen kann.«
»Genau! Bernhardinerhunde werden auch nicht gegessen«, sagte Tore, unendlich erleichtert. »Wahrscheinlich nicht einmal in China.«
»Ich könnte mir denken, dass die Bernhardiner zu groß für jeden chinesischen Kochtopf sind«, vermutete Anke allein aus praktischen Gründen. »Vor allem mit dem Rumfässchen am Hals.«
»Ein Glück.« Tore war begeistert, dass er endlich jemanden gefunden hatte, mit dem er über solche Dinge reden konnte. »Anke, meinst du, man könnte einem Rettungsganter ein Handy auf den Rücken schnallen? Eine Gans ist total wattfest. Will sagen, sie wird nicht nass. Sie kann hochflattern, statt im Schlick zu landen wie wir.«
»Oh, das glaube ich ganz bestimmt«, sagte Anke überzeugt. »Dein Opa ist doch ein Ass mit technischen Geräten. Vielleicht könntet ihr zusammen einen Gänsehandygurt basteln.«
»Könnte hinkommen«, sagte Tore nachdenklich. »Werde das mal mit ihm besprechen.«
»Außerdem«, fuhr Anke fort und blinzelte Tore mit einem Auge zu, »ein Ganter wie Alfons, der so intelligent ist, dass er auf den Schienen ein Signalfeuer entfachen kann, wird auch lernen, das Handy selbst zu bedienen.«
»Da ist es ja ein Glück, dass er kein Rumfässchen tragen kann«, ergänzte Käte listig. »Ich wüsste eine ganze Reihe von Halligleuten, die sich für jede Fahrt mit der Lore den Rettungsganter ausleihen würden.«
Großmütter! Begannen sie ihn jetzt zu veräppeln? »Die Fähre kommt, Oma«, sagte Tore sachlich und machte sich schon einmal auf den Weg zur Tür. »Sie wird gleich anlegen. Ich möchte sehen, ob sie das Eis wirklich fortschieben kann.«
Einige Minuten später standen sie schon am Anleger. Anscheinend hatten sich die meisten Langenesser eingefunden. Es war hier richtig voll.
»Kommen Ankes Kinder nicht?«, fragte Tore. »Mit Kai würde ich gerne mal wieder etwas unternehmen.«
»Doch, aber erst heute Abend.«
»Was essen sie denn, wenn Anke Alfons nicht schlachten will? Oder hat sie mich ...«
»Beschwindelt? Nein, natürlich nicht. Anke erzählte mir, dass sie Schnippelpann machen wird.«
Tore krauste die Nase. Er erinnerte sich vor allem an den starken Geruch von Thymian.
»Na ja. Es ist nicht gerade ein Weihnachtsessen, aber ein Essen nach alter Art«, gab Käte zu. »Und du musst bedenken,wie viele Leute sie mit drei Familien sind. Gefrorene Rippen hat Anke reichlich. Ich habe ihr eingeweckte Enten angeboten, und bestimmt hätten andere ihr auch welche geben können, aber sie lehnt sie ab. Sie kommt auch so zurecht. Sie wird den Kindern erklären, warum Alfons tabu ist!«
»Ganz sicher?«
»Ganz sicher.«
Die Fähre schob sich gerade durch das Eis, das vom alten, nur noch selten benutzten Niedrigwasseranleger bis in die Bucht zwischen Rixwarf und der Warf
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