Alfons die Weihnachtsgans
Was halten Sie davon?«
»Ich wollte abreisen«, knurrte Meier so unwirsch, wie Tore es von ihm gewöhnt war.
»Aber nein«, widersprach Käte in herzlichem Ton. »So doch nicht! Sie haben ja gar nichts von der Hallig gesehen. Und schon gar nicht können Sie fotografiert haben!«
Woher wusste Käte davon? Anke, fiel Tore ein. Die hatte geplaudert. Erst mit Meier, dann mit der Großmutter.
»Hier gibt es doch keine alten Bräuche mehr. Ihr Mann war selbst dieser Meinung«, erklärte Meier sauer. »Und Sören vom Gasthof hat nicht einmal eine Bedienung in Friesentracht.«
»Aber Herr Meier! Wir sind doch kein Zoo, in dem man exotische Tiere besichtigt! Wenn Sie darauf aus waren, kann ich mir vorstellen, dass Fedder sehr zurückhaltend mit Informationen gewesen ist.«
Meier stutzte.
Tore wandte seine Aufmerksamkeit den Anhängern zu, die hinter dem Traktor von Bord rollten. Der zweite war bis oben hin mit zellophanumwickelten Gemüsekästen, mit Sprudel- und Bierkisten sowie mit verschlossenen Kartons bepackt, und auf dem dritten folgten anscheinend große Weihnachtspakete. Danach strömten die Fußgänger mit Rollkoffern und Taschen an Land, und schließlich kamen vier Privatautos.
Als Letzter eilte der Mann in Uniform die Brücke hoch, der gleich die Fahrkarten der Abreisenden knipsen würde. Viele konnten es nicht sein, denn wer wollte an diesem Tagschon von Langeness nach Amrum? Erst auf der Rückfahrt zum Festland am Nachmittag würden es ein paar Fahrgäste mehr werden.
»Sie meinen, dass ich selber schuld bin«, sagte Meier schließlich, der jetzt lange genug nachgedacht hatte.
»Es wäre möglich«, antwortete Käte vorsichtig und schob ihren Arm freundschaftlich unter den von Meier. »Sie wollen doch nicht wirklich nach Amrum?«
»Wieso nach Amrum?«, giftete Meier wieder in gewohnter Weise. »Ich will nur fort!«
»Martin«, sagte Oma Käte in vorwurfsvollem Ton. »Ich darf Sie doch so nennen? Sie werden nicht fahren. Wir lassen Sie einfach nicht weg! Damit Sie womöglich noch im Bierzelt auf Mallorca landen! Wie heißen diese lärmenden deutschen Dauersäufer noch?«
»Ballermänner«, half Tore grinsend aus.
»Genau! Die sind kein Umgang für Sie! Sie sind doch ein netter junger Mann ...«
»Hmm«, brummte Maier.
»Eben«, sagte Käte entschlossen und winkte über einige Köpfe hinweg Sören zu, der sich erwartungsvoll in Bewegung setzte.
Drei Leute waren an Bord gegangen. Langenesser, die über Weihnachten vermutlich ihre Kinder auf Amrum besuchen wollten. Dort gab es mehr Arbeit für junge Leute als auf der Hallig, wie Tore wusste. Knud, der erste Ingenieur an Bord, ein netter Typ, mit dem er sich öfter unterhalten hatte, wenn die Familie mit dem Auto nach Langeness reiste, sah mit fragend hochgezogenen Augenbrauen zu ihm herüber. Anscheinend hatte er mitgekriegt, dass sie mit einem Abreisenden sprachen.
Tore winkte ab. Keine Chance. Wenn Oma Käte jemandenin der Mangel hatte, wagte der keinen Widerspruch. Er selber würde Meier am ersten Weihnachtstag ertragen müssen.
Knud nickte, grüßte noch mal herüber und verließ die Brücke. Auf der Fähre griff er zur herabhängenden Fernbedienung für die Brücke, und diese hob sich langsam.
»Hoffentlich habt ihr Martins Zimmer noch nicht aufgeräumt«, sagte Käte zu Sören, als der heran war. »Er bleibt natürlich. Man musste ihm nur erklären, was er versäumt. Nicht jeder bekommt eine so einmalige Chance, sich in seinem Beruf hervorzutun. Nicht wahr, Martin?«
»Ja«, sagte Meier gehorsam.
Dabei hatte Oma Käte eigentlich gar nichts erklärt, fand Tore.
Die Hilligenlei legte unter dreimaligem Tuten ab.
Kapitel 12
A m Weihnachtsmorgen ging Tore früh an die Arbeit. Er suchte sich unter Omas Kochbüchern eines heraus, das ihm passend erschien, und blätterte nach Rezepten für Pukengrütze.
Aber das Kochbuch war blöd. Die Autorin kannte keine Puken.
Im nächsten Buch gab es auch keine Puken, aber wenigstens Buchweizengrütze für Wikinger. »Hast du Buchweizen und Rübensirup?«, fragte Tore seine Großmutter hoffnungsvoll.
»Nein. Weder noch«, antwortete Käte, die eine Ente für den Abend vorbereitete.
»Aber die Puken«, stotterte Tore. »Die brauchen doch ihre Grütze!«
»Dann machst du ihnen einfach Gerstengrütze«, schlug Käte vor. »Die essen sie mindestens genau so gerne. Und Sirup ist nichts für die Pukenzähnchen. Gesünder ist leicht gesalzene Grütze, und obenauf kommt ein dicker Butterklecks, der schmilzt
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