Alias - Moederischer Nebenjob
Weile betrachtete sie die Models, verzog sodann misslaunig das Gesicht und verschwand in dem Moment wieder von der Bildfläche, in dem der Portier erneut die Bühne betrat - mit einem Tablett, auf dem er den Champagner und einige Hors d'oeuvres balancierte, sowie einer lächelnden Verkäuferin im Schlepptau.
»Ich bin Yvette«, stellte die junge Frau sich vor, während der Champagner und die Appetithäppchen offeriert wurden. Sydney begnügte sich mit einem Glas des edlen Getränks, während Noah gar nicht wieder aufhörte, sich kleine Krabbenpastetchen auf seine Serviette zu schieben.
»Vielen Dank, Henry«, sagte Yvette zu dem ältlichen Herrn. »Sie können jetzt gehen.«
Bevor er sich in den hinteren Bereich des Geschäftes zurückzog, verabschiedete sich Henry von den Herrschaften mit einer leichten Verbeugung und gab Sydney so die perfekte Gelegenheit, ihn wie auch Yvette mit ihrer Ohrring-Kamera auf ein einziges Erinnerungsfoto zu bannen.
»Also! Was wollen wir uns denn heute anschauen?«, fragte Yvette vergnügt. »Garderobe für den Tag? Garderobe für den Abend? Vielleicht ein paar kleine
Kostproben aus unserer Herbstkollektion?«
»Tagesgarderobe. Und eine Auswahl für den Abend«, erwiderte Sydney, Letzteres noch rasch hinzufügend. Immerhin hatte Noah gesagt, sie solle so viel Zeit herausschinden wie möglich.
Yvette eilte davon, und Sydney gönnte sich einen Schluck Champagner. Der Schaumwein war fast so herb wie die jähen Erinnerungen, die er wachrief. Erinnerungen an jenen Abend, an dem sie zum ersten Mal Champagner getrunken hatte, während eines Festtagsessens mit ihrem Vater an einem in jeder Beziehung frostigen Weihnachtsabend - an sein verschlossenes, vor sich hinbrütendes Gesicht, an ihr verzweifeltes Bemühen, ihm zu beweisen, wie erwachsen und selbstständig sie im Internat bereits geworden war. Sie hatte ihm so lange zugesetzt, bis er schließlich nachgab und ihr ein Glas erlaubte. Und obwohl sie dann feststellen musste, dass sie Champagner gar nicht mochte, hatte sie das ganze Glas getrunken, nur um sich nicht die Blöße zu geben und wie ein kleines Kind aufzuführen. Ihrem Vater wäre es gleichgültig gewesen, natürlich. Heute wusste sie das.
»Einen Penny für Ihre Gedanken«, sagte Noah.
Sie rang sich ein unverbindliches Lächeln ab und stellte ihr Glas ab, froh darüber, dass in diesem Moment Yvette wieder auftauchte, dicht gefolgt von zwei Models in Abendkleidern.
Die folgenden vierzig Minuten brachten Sydney und Noah damit zu, diversen Mannequins dabei zuzuschauen, wie sie vor ihnen auf und ab stolzierten und ein Monique-Larousse-Einzelstück nach dem anderen präsentierten. Sydney war überwältigt, sowohl von den exklusiven Gewändern als auch von dem bloßen Gedanken an die Unsummen, die man für sie vermutlich hinzublättern hatte. Dann und wann deutete sie mit dem Finger auf eines der Modellkleider, wohl wissend, dass ohnehin keines von ihnen jemals ihr gehören würde. Schließlich fand Yvette es an der Zeit, zur Anprobe zu schreiten.
»Wir benötigen Ihre genauen Maße, anschließend möchten Sie vielleicht das eine oder andere Teil anprobieren, um zu sehen, ob Sie sich auch wohl darin fühlen«, flötete sie. »Natürlich werden wir, wenn Sie sich für etwas entscheiden sollten, sofort mit der Anfertigung beginnen.«
»Wie lange wird das dauern?«, fragte Noah. »Wir sind nur für eine Woche hier, und wir würden die Sachen gern mitnehmen, wenn wir wieder zurück in die Staaten fliegen.«
Yvette sah ihn überrascht an, war jedoch sogleich wieder Herr der Situation. »Das ließe sich einrichten. Zumindest was einige der Kleider anbelangt. Wir müssten nur die Vorführmodelle entsprechend den Maßen Ihrer Gattin ändern.«
Noah nickte. »Das wollte ich hören, Yvette. Man muss immer flexibel bleiben.«
Die Verkäuferin lächelte ihn verunsichert an und forderte Sydney mit einer höflichen Geste auf, ihr durch eine breite Durchgangstür zu folgen. Auf der anderen Seite erstreckte sich nach links und nach rechts ein langer Flur. Yvette wandte sich nach links. Während sie ihr hinterherstelzte, konnte Sydney durch die weit offen stehenden Türen einige flüchtige Blicke in zwei nobel eingerichtete, etwa schlafzimmergroße Zimmer werfen, bevor Yvette schließlich vor einer dritten Tür Halt machte.
»Wenn ich bitten dürfte«, sagte sie und bedeutete Sydney einzutreten. »Madame Monique sieht es zwar lieber, wenn wir eines der anderen Zimmer nehmen - sie meint,
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