Alias XX
blendete alles um sich herum aus, bis er nichts mehr wahrnahm außer der Schüssel vor sich und den chemischen Geruch des Fotostudios. Er stieß auf eine Seite mit Sternchen – Reihen und Spalten mit Sternchen –, und sein Herz machte einen Sprung. Aber sie bestanden aus Druckerschwärze, nicht aus einem Mikrofilm. Harriet schlief drei Stunden auf dem Feldbett des Fotografen. Tom schlief vier Stunden. Sie setzten die Sektion fort. Seine Hand pochte. Bei Anbruch der Morgendämmerung waren sie fertig. Einen zweiten Mikropunkt hatten sie nicht gefunden.
»Spielt keine Rolle«, sagte Tom. »Du erstattest in deiner Dienststelle Meldung, ich geh zur Botschaft.« Er schlüpfte in sein Jackett. »Mal wieder.«
»Warte, erst noch einen Anruf.« Sie fand den Apparat und sprach mit der Vermittlung.
Tom las seine Kopie der Nachricht. Ein japanischer Angriff auf Hawaii? Die Philippinen, das hätte er noch glauben können, aber Hawaii? Es war verrückt. Und wenn die USA gewarnt würden, würde der Angriff dann abgeblasen? Vielleicht. Eine vorbereitete Streitmacht konnte man nicht überfallen – nicht, wenn der Plan auf das Überraschungsmoment abzielte. Ergab Sinn, wenn sie ein Datum hatten, bis zu dem sie alles abbrechen würden, diesen Tag X minus eins. Er wollte es nicht glauben, aber er musste handeln, als würde es der Wahrheit entsprechen. Zu viel stand auf dem Spiel. Harriet legte auf. »Die erwähnten Flugplätze gibt es wirklich, auch die Krater. Die Codes passen – null zwei fünf drei null-JN und Ost Wind Regen. Pan American hat eine Funkstation auf der Halbinsel. Wenn das alles erfunden ist, dann ist es sehr professionell gemacht.«
»Stützpunkt Kure?«
»Die Kurilen liegen nordöstlich von Japan. Eine große Marinebasis.«
»Wie weit ist das von …«
»Zwei bis drei Wochen. Hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab.«
»Die Flotte ist am achtzehnten November ausgelaufen«, sagte er. »Heute ist welcher Tag? Der fünfte Dezember, frühmorgens.«
»Dann ist auf Hawaii noch der vierte, nachts.«
»Also zweieinhalb Wochen. Wenn das alles stimmt, bleibt uns keine Zeit mehr.«
Er packte seinen Abzug der Mikrofotografie und die Notizen. »Ich brauch ein paar Pfund, Harriet, für das Taxi zur Botschaft und … Scheiße, sie werden mir nie glauben, nicht nach dem, was dort vorgefallen ist.«
»Sie werden erst in einigen Stunden öffnen. Wir werden zu meiner Dienststelle fahren, ich erstelle einen Bericht. Und dann gehen wir gemeinsam zur Botschaft.«
»Ja, gut«, sagte er, froh um ihre Gesellschaft. Dann wurde ihm bewusst, dass sie ihm gar keinen Gefallen tat. Es war nur Teil ihrer Arbeit: Sie wollte nach Earl und dem COI sehen und benutzte ihn, damit er ihr inoffizielle Botschaftskanäle öffnete. »Wunderbar.«
»Also, sollen wir?« Sie schlang die Tasche um die Schulter und schob Renards Plaidmantel durch den Riemen.
»Was machst du da, sammelst du für den Wohltätigkeitsverkauf der Kirche?«
Ihr Blick wurde starr. »Vielleicht.«
Drei karmesinrote Blütenblätter klammerten sich an die Blume mit dem abgeknickten Stängel. Ein Blatt lag auf dem glänzenden Schreibtisch am Fuß der grünen Glasvase, zusammengeballt wie eine winzige Faust.
»Wir haben erwartet, Bloomgaard hier anzutreffen«, sagte Tom.
Er brauchte Bloomgaard. Er brauchte irgendjemanden, egal wen, der wegen Pearl Harbor die nötigen Schritte einleitete. Selbst wenn der Mikrofilm eine Fälschung sein sollte, hatte er etwas zu bedeuten. Und er duldete keinen Aufschub.
»Mr. Bloomgaard ist noch nicht hier.« Der Mann in Bloomgaards Büro hatte einen roten Schädel mit flauschigem weißen Haarkranz. »Ich bin Mr. Palk, stellvertretender Konsul. Na ja, einer der stellvertretenden Konsuln.«
Er gab ein nervöses Lachen von sich, Harriet fiel in sein Lachen ein und versuchte ihn zu beruhigen. Sie sagte, es sei eine Freude, ihn kennen zu lernen.
Palk versicherte ihr, die Freude sei ganz auf seiner Seite.
»Nun also, womit kann ich Ihnen dienen?«
»Wir haben Informationen«, sagte Tom. »Militärische Informationen, Alarmstufe rot … sie müssen begutachtet werden, und zwar schnell, von jemandem, der die erforderlichen Schritte ergreifen kann.«
»Und von mir wollen Sie …?«
»Wir wollen, dass sie weitergeleitet werden, an den militärischen Nachrichtendienst, an den COI. Wir können nicht dafür die Hand ins Feuer legen. Sieht aus, als wäre es was für McCoy, aber ich bin bei der Infanterie. Wie auch immer, es muss
Weitere Kostenlose Bücher