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Alias XX

Alias XX

Titel: Alias XX Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Ross
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hören«, sagte Tom. »Alles.«
    »Sollen wir runter«, sagte Inch, »zu Tisch und Stuhl und Pianoforte? Nichts, was die kultivierte Empfindsamkeit verletzen könnte, Lady Harriet – zumindest nicht zu dieser frühen Tageszeit, was?«
    »Eine gute Idee«, sagte Harriet.
    »Ich werde dann mal lieber gehen«, sagte Audrey und deutete auf ihre Wohnung. Sie hielt es nicht mehr aus. »Schön, Sie kennen gelernt zu haben, Mrs. Wall.«
    »Wir brauchen Sie auch«, sagte Tom.
    »Mich?« In ihrem Aufzug, in Gegenwart von Lady Harriet Wall? Dann musste Tom schon mit einem ziemlich triftigen Grund aufwarten.
    »Zum Übersetzen«, sagte er mit Blick auf Inch. Nicht triftig genug. Sie zog es vor, in ihrem Zimmer zu schmollen.
    »Reizende Garderobe übrigens, Venus«, sagte Inch. »Oliva Twist, na, Sie wissen schon, immer so bezaubernd verwahrlost.«
    Immer? Verflucht sei Inch. »Ich komme gleich nach.« Sie schlüpfte in ihre Wohnung und rief nach Imogene. »Genie, ich brauch deine Hilfe! Ich brauch – alles !«
    Imogenes Stimme kam aus dem Schlafzimmer. »Hier!« Sie hatte bereits Audreys eng anliegendes dunkelrotes Wickelkleid auf dem Bett bereitgelegt.
    »Du Engel!«, sagte Audrey und zog den Pullunder über den Kopf. »Aber ist es nicht noch ein wenig zu früh dafür?«
    »Es gibt keinen Mann, der sich darüber Gedanken machen würde.«
    »Tom wird es noch nicht mal wahrnehmen.« Noch nicht mal diesen Fummel, der so eng war, dass sie immer nur einen Fuß direkt vor den anderen setzen konnte. »Es ist fürchterlich. Sie fühlen sich so wohl miteinander.«
    »Gut«, sagte Imogene. »Nach dem Wohlfühlen kommt die Langeweile. Nicht diese Strümpfe – diese hier.«
    »Meinst du?«
    »Männer wollen sich nicht wohlfühlen, schon gar nicht mit einem Pferdegesicht.«
    »Sie ist schön, nicht pferdegesichtig.«
    »Du dummes Mädchen.« Imogene bürstete Audrey rabiat das Haar. »Sie gehört zu den Schönheiten, die nur von Frauen wahrgenommen werden, und wen kümmert das schon?«
    »Inch hat es bemerkt.«
    »Ich kenne keinen, der so viel von einer Frau an sich hat wie er«, sagte sie, während sie Audreys Haar hochsteckte. Audrey lachte. »Das werde ich ihm sagen!«
    »Mach das.« Imogene trat zurück, um ihr Werk zu begutachten, dann kniff sie Audrey in die Backe. »So, jetzt sieht man dir auch an, wie sehr du glühst. Und jetzt geh und verdreh ihm den Kopf. Und, Vee? Sei nur du selbst.«
     
    Tom steckte sich eine unangezündete Zigarette in den Mund und hörte Inchs Geschnatter zu. Tee wurde serviert. Ein Komiker auf der Bühne versorgte sie mit Sprüchen, die nicht witzig waren, und Inch tat dasselbe am Tisch. Er hätte im East End sein sollen, um von Haus zu Haus zu gehen …
    »Ich war oben«, sagte Inch. »Plötzlich verstummt die Sirene, und Earl brüllt in mein Ohr.«
    »Vom Gang aus?«, fragte Tom.
    »War nicht im Gang – sondern oben. Ich hab das Malteser-Zimmer. Man braucht ja einen Platz in der Stadt, an dem man nicht … Na ja, ein Vogel mit gestutzten Schwingen, der sich den Käfig mit …«
    »Sie waren draußen im Gang«, sagte Tom. »Und die Tür war nicht ganz geschlossen, und was genau haben Sie dann gehört?«
    »Hab ich Ihnen schon siebenmal gesagt.«
    »Sagen Sie es mir zum achten Mal.«
    »Hab Earl was von einem Herrenausstatter brüllen hören, irgendeinem Laden, Gent’ s Apparel oder so ähnlich. Er kleidet sich ja immer sehr nachlässig, dieser Earl. Der würde sogar in einen türkischen Teppich gewickelt im Mouflet’s aufkreuzen.«
    »Das war alles? Nichts von einem ›Hyde Street Misfits‹?«
    »›Gent’s Apparel‹, wie ich schon siebenmal …«
    »Mit wem hat er geredet?«, fragte Harriet.
    »Keine Ahnung. Nehme an, mit einem der Mädchen.« Inch erbleichte. »Der Putzfrau, meine ich.«
    Harriets Blick blieb fest. »Ich weiß, warum er das Zimmer gemietet hat, Flight Lieutenant. Aber es gibt Wichtigeres als meinen verletzten Stolz. Er hat nichts von ›Hyde Street Misfits‹ gesagt?«
    »Ein Späßchen unsererseits, ›Hyde Street Misfits‹, aber der Earl sagte ›Gent’s Apparel‹. Dachte, er spricht mit mir. Dann bemerkte ich, dass er mit, äh, der Putze redet und hab mich an ihm vorbeigeschlichen, so leise wie eine Kirchenmaus. Tage später kommt Vee angestürmt und will ihn am liebsten im siedenden Öl kochen. Dann kommen Sie mit Ihren Fragen …«
    »Warum wollte sie das?«, fragte Harriet.
    »Venus? Ach, das könnte aus dem einen oder anderen Grund gewesen sein. Könnte wegen … oh!«

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