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Alias XX

Alias XX

Titel: Alias XX Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Ross
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Straßen, die engen Gassen inmitten von Mayfair. Niemand, der hier nicht hingehörte, war zu sehen. An der Ecke kaufte er sich eine Packung Abdullahs – Renards Belohnung für den Wagen, den er aufgebrochen hatte, auch wenn es nur ein Riley Ascot gewesen war, ein verdammter Zweisitzer, in dem sie zu dritt wie die Sardinen eingepfercht waren. Renard meinte, ihm gefalle das Grün. Es gefiel ihm auch, Abbies zu rauchen, obwohl sie eher für die Mädels gedacht waren.
    Auf dem Rückweg zum Kurzwarenhändler stöckelte eine junge Frau auf hohen Absätzen vorbei. Rugg äugte ihr nach, und sie beäugte ihn und bog dann, von einer süßen Apfelblüten-Duftwolke umgeben, in Walls Straße ab. War nicht in Ordnung, wie sie ihn so musterte. Keine junge Frau, noch dazu eine so schlanke und süße wie sie, musterte ihn so unverfroren.
    Er bummelte herum, und dann kam sie, nun in der anderen Richtung, erneut an ihm vorbei. Sie war zu Walls Haus gegangen und hatte kehrtgemacht, als wäre sie nicht schlüssig, ob sie eine Verabredung einhalten sollte. Wie hieß das verdammte Wort? Kapriziös.
    Bei zweien der Gebäude ragten die oberen Stockwerke in die schmale Gasse hinein und verdunkelten den Himmel. In dieser Passage griff er sich das Mädchen und sagte: »Oha.«
    Sie drehte sich um, als wäre sie überrascht, sie lächelte mit ihren weißen, in der Dunkelheit leuchtenden Zähnen, aber als sie vortrat, wurden ihre Augen zu schmalen Schlitzen, und sie stieß ihm eine Haarnadel ins Gesicht. Er patschte ihr auf die Wange und schlug sie gegen eine Mülltonne. Sie miaute wie eine Katze, worauf er ihre Hand packte, in der sie die Haarnadel hielt, und sie anhob. Sie trat ihm gegen das Schienbein und wollte schon um Hilfe schreien. Er legte ihr beide Hände um den Hals, in ihrem Nacken knackte ein Knochen.
    Sie erschlaffte. Kein süßer Apfelblütenduft mehr. Er schob sie hinter die Mülltonnen und öffnete ihre Handtasche. Hatte noch nicht mal vermaledeite Papiere bei sich, war eigentlich überhaupt niemand. Irgendeine dumme Kuh, und alles war so schnell gegangen, konnte man noch nicht mal von Gewaltanwendung reden.
    Er nahm den Krimskrams aus ihrer Handtasche an sich und ging hinauf ins Zimmer des Kurzwarenhändlers. Fand Renard in heller Aufregung. »Er ist gerade gekommen. Tom Wall. Er ist jetzt da.«
    »Dann gehen wir jetzt?«
    »Noch nicht. Die Nachbarin ist noch da. Sobald sie abhaut, schnappen wir ihn uns.«
     

33
 
5. Dezember 1941, Abend
    Die Abenddämmerung setzte ein. Tom wollte zum Shepherd Market, fand aber weder ein Taxi noch eine U-Bahn-Station. Am Rinnstein ragte ein schiefer Metallpfosten aus dem Boden, auf der Straße vor ihm war eine Brücke zu erkennen, eine Reihe von Bögen unterhalb der niedrigen Überdachung. In der Gasse bereitete ein Mann sein Lager unter einem zerrissenen Plakat, das verkündete: N ICHT VERZAGEN , H AIG FRAGEN .
    Der Mann zeigte ihm, wo die U-Bahn zu finden war.
    »Hätte ja auch Haig fragen können«, sagte Tom. Der Mann lachte nicht.
    Tom war ebenfalls nicht zum Lachen zumute. Nichts, was er getan hatte, war richtig gewesen – es gab auch nichts Richtiges mehr zu tun, außer Harriet zu sagen, dass Earl tot war. Er nahm die U-Bahn und verlor sich in der Dunkelheit seines Versagens, seiner Niederlagen – er, ein Bauer in Sondeggers Spiel. Der Zug verlangsamte die Geschwindigkeit und lief in Green Park ein. Er stützte sich mit der rechten Hand ab und fluchte über die Schmerzen, die dicke Nadel, die durch seine Handfläche gestoßen wurde.
    Er stieg aus und ging zum Shepherd Market. An der Ecke blieb er stehen und presste sich die Hand gegen den Bauch. Der verfluchte Sondegger. Nicht genug, dass er ihn missbraucht hatte, um davon abzulenken, dass er das Doppelspiel-System hochgehen ließ, nein, er musste ihm auch noch einen Bleistift in die Hand stechen. Blutvergiftung, winzige Spuren Blei im
Blut … Winzige Spur? Eine Erinnerung blitzte auf.
    »Heilige Scheiße.« Tom stockte der Atem. »Heilige Scheiße.«
    Er rannte los. Sofort zu Harriet … Nein, noch nicht. Was brauchte er? Einen Fotografen. Es gab hier keinen, aber vielleicht hatte der Optiker noch geöffnet. Er lief über die Straße. Hinter ihm quietschte ein Bus, ein Mann brüllte. Er schob sich an einer Schar Sekretärinnen vorbei. Der Groschen war gefallen. Winzig. Spur. Er rannte zum Shepherd Market und in das enge Gassengewirr, bog um eine Ecke. Dort war der Antiquitätenladen, der Zahnarzt … der Optiker.
    Geschlossen.

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