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Alias XX

Alias XX

Titel: Alias XX Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Ross
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Waagschalen so entscheidend zu ihren Gunsten ausschlagen ließ und alle bis dahin ungenutzten Gelegenheiten, alle verlorenen Menschenleben nicht nur rechtfertigten, sondern ihnen zur Ehre gereichen würde.
    Die Männer und Frauen, die im Feld ihr Leben aufs Spiel setzten, durften von der Wahrheit nichts erfahren. Sie waren diejenigen, die in Deutschland, Frankreich und Polen die falsche Perle polierten, bis sie glänzte. Sie wurden von der Special Operations Executive – der SOE – ausgebildet, um nicht nur den Feind zu infiltrieren, Sabotageakte auszuführen, Agentennetze aufzubauen und Informationen zu sammeln. Sie wurden ausgebildet, um unwissentlich falsche Fährten zu legen, um einen Rahmen zu schaffen, der dem Zwanziger-Komitee als Gerüst für die eigene Arbeit diente. Sie stellten ihre Ideale über das eigene Leben. Sie hatten keine Angst vor dem Tod, sondern vor dem Versagen. Und wenn es Thomas Wall nicht gelingen sollte, Sondegger die Informationen zu entlocken, würden sie reihenweise sterben … für nichts.
     
    Tom spielte mit dem Draht in seiner Tasche. Earl hatte sie alle hinters Licht geführt – Davies-Frank sagte, er hätte nichts mit Kreta zu schaffen. Earl war für seinen Verrat nicht zur Rechenschaft gezogen worden.
    »Ich muss wohl kaum betonen, dass das vertrauliche Informationen sind«, sagte Davies-Frank.
    »Dann tun Sie es nicht. Durch den Fleischwolf bin ich schon gedreht worden.«
    »Gut. Die Amerikaner haben Sie natürlich auf Herz und Nieren geprüft«, sagte Davies-Frank. »Wegen Ihrer Verwandtschaft zu Earl. Und zu Ihrem … Onkel, oder?«
    »Ja«, sagte Tom. Sein Vater, ein Arzt, hatte sich gewünscht, dass seine Söhne ebenfalls Mediziner würden. Stattdessen waren sie seinem Bruder zum Militär gefolgt – Earl zum Geheimdienst, Tom zur Armee. »Mein Onkel Sam.«
    »Wir haben Sie ebenfalls unter die Lupe genommen, wegen der Frau Ihres Bruders.«
    Harriet. Die Frau seines Bruders. Tom spürte, wie die Erinnerungen an ihm zehrten. Er schüttelte sie ab, konzentrierte sich. Vor ihm saß der Mann, der ihn zu Earl führen könnte.
    »Außerdem bieten Sie, was den Sicherheitsaspekt anbelangt, den großen Vorteil …« Davies-Frank hielt kurz inne. »Dass Sie als nicht ganz zuverlässige Quelle gelten …«
    »Dass ich einen Dachschaden habe«, sagte Tom.
    »Genau. Es verringert das Sicherheitsrisiko, wenn keiner glaubt, was Sie sagen. Noch eine Zigarette?«
    Tom nahm sie. »Sie verwöhnen mich.«
    »Vielleicht. Also. Das Zwanziger-Komitee begann 1936 mit einem Mann, den ich Sleet nennen werde. Er war ein Maschinenbauingenieur …«
    Davies-Frank sprach mit weicher Stimme, flüssig, und Tom spürte, wie der Schleier der Erschöpfung sich träge hob, er bemerkte, wie sein Interesse erwachte. Wie lang war es her, dass er instruiert, beauftragt, geführt worden war? Sleet, Thrush, Bitters, Reindeer, Cardigan. Das gesamte Netz der deutschen Abwehr zu einem hübschen Päckchen geschnürt: ein umgedrehter Zahlmeister, der zu einer weiteren Zelle führte, ein Doppelagent, der flüchtete, ein Ruderboot klaute und nur knapp daran gehindert werden konnte, den Ärmelkanal zu überqueren und Nazi-Gebiet zu erreichen. Geheime Schreiben und drahtlose Funkübertragungen, tote Briefkästen in Oslo, Paris, Brest, auf der Iberischen Halbinsel. Das Kriegsministerium, das W-Board, die Home Defence Executive, der MI5 und MI6, sie alle wirkten daran mit, häufig ohne davon zu wissen.
    Tom war mit Spionage und Gegenspionage vertraut – schließlich war sein Onkel Sam beim militärischen Geheimdienst gewesen –, aber ein ganzes Netz, das umgedreht wurde? Und Earl, der irgendwie daran beteiligt war? Es war einfach zu unglaublich.
    Davies-Frank bemerkte Toms Miene. »Ja?«
    »Warte nur darauf, dass Sie sagen: ›Diese Sendung wurde Ihnen von Blue Coal präsentiert …‹«
    »Blue Coal?«
    »Die beste Kohle in Amerika«, sagte Tom. »›Wer weiß, welches Übel in den Herzen der Menschen lauert? Der Shadow weiß es.‹«
    Davies-Frank lächelte verhalten. »Sie sind früher als Komiker aufgetreten, was? Bin froh, dass ich Sie damals nicht gekannt habe.«
    Sein Ton entfachte etwas in Tom, einen Funken, das Gefühl, einer verschworenen Gemeinschaft anzugehören. Er hatte schon zu lange nicht mehr mit Menschen zu tun gehabt, die nicht fürchteten, dass er zerbrechen würde. »Ich bin ein richtiger Jack Benny«, sagte er. »Wie ist Earl darin verwickelt?«
    »Es gibt jemanden, der nennt sich Dietrich Sondegger.

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