Alibi für einen König
ausländischen Höfen führte, bis zur unverhohlenen Schmähung des vom Parlament verabschiedeten Gesetzes, durch das ihm die Nachfolge Heinrichs VI. auf dem englischen Thron wieder abgesprochen worden war. Dieses Benehmen brachte ihn zwangsläufig vor ein weiteres und diesmal weit weniger zugängliches Parlament.
Die Verhandlung zeichnete sich vor allem durch erbitterten und beredten Wortwechsel zwischen den beiden Brüdern Eduard und George aus. Als aber das zu erwartende Todesurteil ausgesprochen wurde, schien die Sache im Sand zu verlaufen. George seine Rechte abzusprechen, war gut und schön. Es war wünschenswert, ja höchst notwendig. Ihn hinzurichten, war jedoch etwas anderes.
Als die Tage verstrichen, ohne daß das Urteil vollstreckt wurde, monierte das Unterhaus. Und einen Tag später wurde bekanntgegeben, daß George, Herzog von Clarence, im Tower verstorben sei.
»In einem Faß mit Malvasier ersäuft«, sagte London. Und dieser Kommentar des Pöbels zum Tod eines Trunkenbolds ging in die Geschichte ein und brachte George, der es nicht verdiente, Unsterblichkeit.
George war also nicht auf jenem Fest in Westminster, und in Miss Payne-Ellis’ Schlußkapitel trat Cicely Nevill nicht als die Mutter ihrer Söhne auf, sondern als die Großmutter einer prächtigen Zucht. Mochte George auch in Acht und Bann auf einem dürren Haufen welker Freundschaften gestorben sein – sein Sohn, der junge Warwick, war ein prächtiger, vielversprechender Junge. Und Klein-Margaret zeigte mit ihren zehn Jahren bereits alle Ansätze zu einer der berühmten Nevill-Schönheiten.
Mochte der mit siebzehn Jahren in der Schlacht gefallene Edmund auch das typische Beispiel dafür sein, wie sinnlos oft junges Leben dahingeopfert wurde, so konnte Cicely sich zum Ausgleich doch ihres zarten Jüngsten erfreuen, von dem sie nie geglaubt hätte, daß sie ihn durchbringen würde. Nun hatte er sogar schon einen Erben. Mit zwanzig Jahren wirkte Richard noch immer sehr zerbrechlich, aber er war zäh wie Leder. Und vielleicht würde sein überaus zart erscheinendes Söhnchen einmal ebenso widerstandsfähig werden. Die Schönheit Eduards, ihres großen blonden Eduard, mußte vielleicht im Alter einer robusten Derbheit weichen und seine Liebenswürdigkeit einer satten Trägheit. Aber seine beiden kleinen Söhne und seine fünf Töchter besaßen den starken Charakter und die schönen Züge ihrer väterlichen und mütterlichen Vorfahren.
Als Großmutter konnte sie diesen Kinderhaufen mit persönlichem Stolz betrachten und als Prinzessin von England mit Zuversicht. Für viele künftige Generationen schien dem Hause York die Krone sicher.
Hätte irgend jemand auf diesem Fest in eine Kristallkugel geblickt und dann Cicely Nevill gesagt, daß in vier Jahren nicht nur die Dynastie York, sondern die ganze Dynastie Plantagenet für immer verschwunden sein werde, dann hätte sie das für Wahnsinn oder für Verrat gehalten.
Miss Payne-Ellis hatte jedoch nicht versäumt, auf das Vorherrschen der Woodville-Sippe in dieser Nevill-Plantagenet-Versammlung hinzuweisen.
»Sie blickte sich im Raum um und wünschte, ihre Schwiegertochter Elisabeth wäre entweder mit einem weniger weiten Herzen oder mit weniger Verwandten gesegnet gewesen. Die Woodville-Heirat war weit glücklicher geworden, als man zu hoffen gewagt hatte. Elisabeth war eine bewundernswürdige Ehefrau. Die Begleiterscheinungen jedoch waren weniger glücklich. Vielleicht ließ es sich nicht umgehen, daß die beiden Knaben von Elisabeths ältestem Bruder erzogen wurden; Rivers hatte zwar gewisse Emporkömmlingsneigungen, was sich insbesondere in seiner Leidenschaft für äußeren Aufwand ausdrückte, und auch einen oft zu unverhohlenen Ehrgeiz, aber er war ein kultivierter Mensch und als Aufsicht fiir die Knaben während ihrer Schulzeit in Ludlow vorzüglich geeignet. Doch der Rest – vier Brüder, sieben Schwestern und zwei Söhne aus Elisabeths erster Ehe, die da im Kielwasser der Braut auf dem Heiratsmarkt auftauchten – waren denn doch des Guten ein bißchen zuviel.
Cicely blickte, über den tollenden Haufen der spielenden Kinder hinweg, auf die Erwachsenen, die um die Festtafel standen. Anne Woodville, die mit dem Erben des Grafen von Essex verheiratet war. Eleanor Woodville, die Frau des Erben der Grafschaft Kent. Margaret Woodville, verehelicht mit dem Erben des Grafen von Arundel. Catherine Woodville, die Gemahlin des Herzogs von Buckingham. Jacquette Woodville, verheiratet mit Lord
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