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Alibi für einen König

Alibi für einen König

Titel: Alibi für einen König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Tey
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Begeisterung für den prächtigen Eduard mußte Miss Payne-Ellis durchblicken lassen, daß Richard es war, der die Schiffe ausrüstete, die mit Margarets Geld geheuert worden waren. Ein noch nicht achtzehnjähriger Richard. Und als Eduard mit einem lächerlich kleinen Häuflein Anhänger wieder auf einer englischen Wiese kampierte, um George und dessen Heer gegenüberzutreten, da war es Richard, der in Georges Lager ging und den von Margaret schon weichgemachten George wieder auf Eduards Seite brachte und somit beiden den Weg nach London frei machte.
    Grant dachte nicht daran, diese letzte Tat für eine große Leistung zu halten. Nein, George ließ sich so offensichtlich zu allem überreden. Er war das gefundene Fressen für Missionare.

VI
    E r hatte die »Rose von Raby« und die verbotenen Freuden pseudohistorischen Klatsches noch längst nicht zu Ende gekostet, als am nächsten Morgen gegen elf Uhr ein Paket von Marta eintraf, das jene ehrbare Form geschichtlicher Unterhaltung enthielt, die der unter die Heiligen erhobene Sir Thomas zu bieten hatte.
    Dem Buch waren einige Zeilen in Martas großen Buchstaben auf Martas dickem teurem Briefpapier beigefügt:

    »Muß Dir das Buch schicken, statt es selbst vorbeizubringen. Schrecklich beschäftigt. Glaube, daß ich M. M. jetzt auf Blessington festgenagelt habe. Fand keinen T. More in den Buchhandlungen, mußte also in die Stadtbibliothek. Weiß nicht, warum man nie an diese Bibliotheken denkt. Wahrscheinlich, weil man sich dort nur verstaubte Lektüre erwartet. Finde, dieses Buch sieht ziemlich sauber und nicht verstaubt aus. Du hast vierzehn Tage Zeit. Hoffe, Dein Interesse am Buckelmann vertreibt den Dornenschmerz der Langeweile. Auf bald. Marta.«

    Das Buch sah wirklich sauber und vertrauenerweckend, wenn auch ein wenig veraltet aus. Aber nach der leichten Lektüre der »Rose« wirkte der Druck langweilig und die strenge Einteilung abschreckend. Dennoch machte Grant sich mit Interesse an die Lektüre. Schließlich war dieses Buch, was Richard III. anbetraf, die einzige seriöse Quelle.
    Eine Stunde später blickte Grant verwirrt und mit einem unbehaglichen Gefühl von seiner Lektüre auf. Nicht daß der Inhalt ihn überrascht hätte: Die Tatsachen entsprachen eigentlich genau seiner Erwartung. Aber die Art und Weise, wie Sir Thomas schrieb, überraschte ihn.

    »Er fand des Nachts keine Ruhe, lag lange wach und grübelte vor sich hin. Von Sorge und Angst geplagt, schlummerte er mehr, als daß er schlief. Auch ward sein ruheloses Herz ewig hin und her gerissen von den schrecklichen Eindrücken und einander jagenden Erinnerungen seiner abscheulichen Taten.«

    Das ging soweit in Ordnung. Fügte er aber hinzu, er habe dies alles »von jenen, die mit seinen Kämmerern vertraut waren«, dann fühlte man sich plötzlich abgestoßen. Es schmeckte nach Hintertreppenklatsch und Dienstbotengeschnüffel. Und die Sympathie des Lesers wandte sich, ehe er es sich versah, von dem selbstgefälligen Kommentar der gequälten Kreatur zu, die sich da schlaflos auf ihrem Bett wälzte. Der Mörder schien von bedeutenderem Format als der Mann, der über ihn schrieb.
    Was natürlich grundfalsch war.
    Grant merkte auch, daß ihn das gleiche Unbehagen beschlichen hatte, das er einem Zeugen im Gerichtssaal gegenüber verspürte, der eine perfekte Geschichte herunterschnurrte, die irgendwo einen Haken haben mußte.
    Und das war in der Tat sehr verwirrend. Was konnte wohl falsch sein an dem persönlichen Bericht eines Mannes wie Thomas More, den man vier Jahrhunderte lang ob seiner Integrität verehrte?
    Der Richard, den man aus Mores Bericht gewann, war, so dachte Grant, ein Mann, den die Oberin durchschaut hätte. Ein hochsensibler Mann, der sowohl großer Missetaten wie großen Leidens fähig war. »Sein Geist war stets ruhelos, nie fühlte er sich sicher. Seine Augen schweiften unstet umher, sein Körper war insgeheim gepanzert, seine Hand stets am Dolch, seine Züge und sein Wesen die eines Menschen, der jederzeit eines Angriffs gewärtig ist.«
    Und natürlich fehlte auch die dramatische, um nicht zu sagen hysterische Szene nicht, deren Grant sich aus seiner Schulzeit entsann und an die sich wahrscheinlich jeder Schuljunge erinnerte. Die Ratssitzung im Tower, ehe Richard die Krone für sich beanspruchte. Richards plötzliche Frage an Hastings nach der gerechten Strafe für einen Mann, der den Tod des Protektors des Königreichs plane. Die wahnwitzige Behauptung, Eduards Gemahlin und

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