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Alibi für einen König

Alibi für einen König

Titel: Alibi für einen König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Tey
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Eduards Mätresse (Jane Shore) trügen durch ihre Hexerei Schuld an Richards verkümmertem Arm. Der Wutanfall und der Schlag auf den Tisch, der das Signal für seine bewaffneten Anhänger war, hereinzustürmen und Lord Hastings, Lord Stanley und John Morton, den Bischof von Ely, zu verhaften. Der eilige Abtransport von Hastings in den Hof, der handliche Holzblock, auf dem man ihn köpfte, nachdem man ihm kaum Zeit gelassen hatte, dem erstbesten Priester, den man auftreiben konnte, die Beichte abzulegen.
    Auf jeden Fall war dies das Bild eines Mannes, der erst handelte – in der Wut, aus Angst, aus Rache – und dann bereute.
    Doch er schien auch ausgeklügelterer Schandtaten fähig zu sein. Er ließ einen gewissen Doktor Shaw, einen Bruder des Lord Mayor, am 22. Juni in Paul’s Cross eine Predigt über die Bibelstelle halten: »Die Sprößlinge eines Bastards werden nicht Wurzel schlagen.« Doktor Shaw behauptete in dieser Predigt, daß sowohl Eduard wie George die Früchte einer unerlaubten Beziehung wären, und Richard wäre der einzige legitime Sohn des Herzogs und der Herzogin von York.
    Dies klang so unwahrscheinlich, so durch und durch absurd, daß Grant den Absatz noch einmal las. Aber da stand klipp und klar geschrieben, daß Richard in aller Öffentlichkeit und für seinen persönlichen Vorteil seine Mutter einer unglaublichen Infamie bezichtigt hatte.
    Nun, Sir Thomas More sagte es. Wenn es überhaupt jemand wissen konnte, dann Thomas More. Und wenn irgend jemand die Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit der Unterlagen eines Geschichtsbuches beurteilen konnte, dann Thomas More, Lordkanzler von England.
    Richards Mutter, so sagte Sir Thomas, führte bitterlich Klage darüber, daß ihr Sohn sie mit Schmutz beworfen hatte. Grant fand das nur allzu begreiflich.
    Was Dr. Shaw anbetraf, so überwältigte ihn die Reue. Und zwar in solchem Ausmaß, daß er »innerhalb weniger Tage dahinsiechte und den Tod fand«.
    Wahrscheinlich erlitt er einen Schlaganfall, dachte Grant. Kein Wunder. Es gehörten schon gute Nerven dazu, vor das Londoner Volk hinzutreten und eine solche Geschichte zum besten zu geben.
    Der Bericht, den Sir Thomas von den Prinzen im Tower gab, stimmte mit dem der Amazone überein, nur daß Sir Thomas’ Version mehr in Einzelheiten ging. Richard hatte es gegenüber dem Kommandanten des Tower, Robert Brackenbury, als wünschenswert durchblicken lassen, daß die Prinzen verschwänden. Aber Brackenbury wollte mit solcherlei Dingen nichts zu tun haben, und Richard mußte warten. Als er auf seiner Staatsreise durch England, die er nach seiner Krönung unternahm, in Warwick angekommen war, schickte er von dort Tyrrel nach London. Brackenbury mußte ihm auf Befehl Richards für eine Nacht die Schlüssel zum Tower aushändigen. In jener Nacht erstickten die beiden Schurken, Dighton und Forrest, ein Stallbursche und ein Gefängniswärter, die beiden Knaben.
    An dieser Stelle erschien die Zwergin mit Grants Mittagessen und entriß ihm das Buch. Und während Grant seinen Schinkenauflauf vom Teller in den Mund beförderte, sah er wieder das Gesicht des Mannes auf der Anklagebank vor sich. Das Gesicht des treuen und geduldigen kleinen Bruders, der sich zu einem Monstrum ausgewachsen hatte.
    Als die Zwergin wieder kam, um das Tablett zu holen, sagte Grant: »Wußten Sie, daß Richard III. zu seiner Zeit sehr populär war? Ich meine, ehe er den Thron bestieg.«
    Die Zwergin warf einen bösen Blick auf das Bild.
    »Wenn Sie mich fragen, dann kann ich nur sagen, der lauerte wie eine Schlange im Gras. Glatt war er, aalglatt. Auf den richtigen Augenblick hat er gelauert!«
    Auf welchen Augenblick? überlegte Grant, als sie sich auf klappernden Absätzen entfernte. Richard konnte unmöglich gewußt haben, daß sein Bruder Eduard unerwartet im besten Mannesalter von vierzig Jahren sterben würde. Er konnte selbst nach einer noch so unzertrennlichen gemeinsamen Kindheit nicht vorausgesehen haben, daß Georges Treiben schließlich in der Ächtung und der Ausschließung seiner Kinder von der Thronfolge enden würde. Es war eigentlich nicht zu begreifen, worauf jemand »lauern« sollte, wenn es gar nichts zu erlauern gab. Und die durch und durch tugendhafte Schönheit mit dem Goldhaar hatte sich, bis auf ihren unheilbaren Nepotismus, als eine hervorragende Königin erwiesen und Eduard eine Schar gesunder Kinder geschenkt, zu der auch zwei Knaben zählten. Diese ganze Schar stand, zusammen mit George, dessen Sohn und

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