Alibi für einen König
dessen Tochter, zwischen Richard und dem Thron. Es war doch recht unwahrscheinlich, daß ein Mann, der mit der Verwaltung Nordenglands oder mit ungemein erfolgreichen Feldzügen gegen die Schotten vollauf beschäftigt war, noch Zeit oder Lust für Intrigen gehabt hatte.
Was also hatte ihn dann in so kurzer Zeit so völlig verändert?
Grant griff wieder zu der »Rose von Raby«, um nachzusehen, was Miss Payne-Ellis über die unselige Verwandlung von Cicely Nevills jüngstem Sohn zu sagen hatte. Aber die schlaue Autorin hatte sich um diesen Punkt gedrückt. Sie wollte ein fröhliches Buch schreiben, und wenn sie es bis zu seinem logischen Abschluß geführt hätte, wäre es ja eine ungesühnte Tragödie geworden. Sie brachte es daher mit einem schönen klangvollen Schlußakkord zu Ende, indem sie das letzte Kapitel dei Feier widmete, mit der die Volljährigkeit der jungen Elisabeth, Eduards ältestem Kind, begangen wurde, und drückte sich somit um die Tragödie der kleinen Brüder Elisabeths wie um die Niederlage und den Tod Richards auf dem Schlachtfeld.
Das Buch schloß also mit einer Festlichkeit im Palast, mit einer rosig überhauchten glücklichen jungen Elisabeth im Glanz eines neuen weißen Kleides und der ersten Perlen, einer Elisabeth, die wie die Prinzessin im Märchen die Sohlen durchtanzte. Richard und Anne und beider zarter kleiner Sohn waren zu diesem Anlaß aus Middleham hereingekommen. Aber weder George noch Isabel waren anwesend. Isabel war vor Jahren im Kindbett gestorben, kaum beachtet, und, was George anbetraf, auch nicht betrauert. Auch George war unter undurchsichtigen Umständen gestorben, hatte aber dank der für ihn so charakteristischen Perversität gerade ob dieser Ungewißheit unvergänglichen Ruhm gewonnen.
Georges Leben war eine einzige Folge aufsehenerregender Extravaganzen gewesen. Jedesmal mußte seine Familie gesagt haben: »Schlimmer kann es nun nicht mehr kommen. Selbst George kann sich nichts Phantastischeres mehr ausdenken.« Und jedesmal hatte George ihnen eine neue Überraschung bereitet. Georges Kapriolen schien keine Grenze gesetzt zu sein.
Die Saat zu alldem war vielleicht gesät worden, als Warwick ihn zu Heinrichs VI. Erben machte, des armen irren Marionettenkönigs, den Warwick seinem Vetter Eduard zum Trotz wieder auf den Thron gesetzt hatte. Damals hatte George zum erstenmal die Maßstäbe verloren. Warwicks Hoffnungen, seine Tochter als Königin zu sehen, und Georges Thronansprüche waren in jener Nacht zunichte geworden, in der Richard in das Lager der Lancaster gegangen war und mit George gesprochen hatte. Aber der prahlerische Schwächling George hatte nun einmal Blut geleckt, und das war vermutlich zuviel für ihn gewesen. In den folgenden Jahren war die Familie vollauf damit beschäftigt, George von Entgleisungen abzuhalten oder ihn aus seiner jüngsten Patsche zu helfen.
Als Isabel starb, war er überzeugt gewesen, daß eine ihrer Kammerfrauen sie vergiftet hatte und daß auch sein kleiner Sohn von einer anderen Hofdame vergiftet worden war. Eduard, der die Angelegenheit für wichtig genug hielt, um sie vor ein Londoner Gericht zu bringen, schickte einen königlichen Vorführungsbefehl. Es stellte sich jedoch heraus, daß George bereits beide Frauen von seinem eigenen Magistratsbeamten während einer kümmerlichen Sitzung hatte aburteilen und unverzüglich hängen lassen. Der erzürnte Eduard, der seinem Bruder einen Denkzettel erteilen wollte, ließ zwei Mitglieder von Georges Hofstaat wegen Hochverrats verurteilen. Aber statt sich diese Lehre zu Herzen zu nehmen, erklärte George dies für einen glatten Justizmord und verbreitete diese seine Meinung überall mit lauter Stimme und im empörten Ton der beleidigten Majestät.
Dann beschloß er, die reichste Erbin Europas zu heiraten, Margarets Stieftochter, die junge Maria von Burgund. Die gute Margaret fand es einen reizenden Gedanken, ihren Bruder in Burgund zu haben, aber Eduard unterstützte die Werbung Maximilians von Österreich, und George war ihm ein ständiger Dorn im Auge.
Als die burgundische Intrige wie eine Seifenblase platzte, erhoffte sich die Familie eine Atempause. Immerhin gehörte George die Hälfte der Nevill-Besitzungen, und er brauchte weder des Geldes noch des Nachkommens wegen zu heiraten. George aber faßte nun den Entschluß, die Schwester Jakobs III. von Schottland zu ehelichen.
Schließlich steigerte sich sein Größenwahn von geheimen Verhandlungen, die er auf eigene Faust mit
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