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Alibi für einen König

Alibi für einen König

Titel: Alibi für einen König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Tey
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Nachttisch gerichtet. In dem einen Arm hielt sie zwei neue Bücher, in dem andern einen großen Strauß weißen Flieders. Er überlegte, ob sie wohl weißen Flieder gewählt hatte, weil er ihr das angemessene Blumenangebinde in der Wintersaison zu sein schien (er zierte ihre Garderobe im Theater von Dezember bis März), oder ob sie ihn gewählt hatte, weil er die Harmonie ihrer schwarz-weißen Eleganz nicht störte. Sie trug einen neuen Hut und die üblichen Perlen, jene Perlen, die er einst für sie hatte wiederfinden dürfen. Sie sah sehr hübsch aus, sehr pariserisch und wohltuend unkrankenhausartig.
    »Habe ich dich geweckt, Alan?« fragte sie.
    »Nein, ich habe nicht geschlafen.«
    »Ich scheine hier die sprichwörtlichen Eulen zu tragen«, sagte sie und legte die beiden Bücher neben die verhaßten Artgenossen. »Hoffentlich interessieren sie dich mehr, als es, allem Anschein nach, die anderen getan haben. Hast du denn nicht wenigstens einen ganz kleinen Blick in unsere Lavinia geworfen?«
    »Ich kann nichts lesen.«
    »Hast du Schmerzen?«
    »Ich leide Höllenqualen. Aber das hat nichts mit dem Bein und auch nichts mit dem Rücken zu tun.«
    »Was ist es denn?«
    »Meine Kusine Laura nennt es die Dornen der Langeweile.«
    »Armer Alan! Welch treffende Bemerkung von deiner Laura!« Sie nahm einen Narzissenstrauß aus einer viel zu großen Vase, warf ihn mit überaus eleganter Geste ins Waschbecken und begann, den Flieder in dem leeren Gefäß zu arrangieren. »Man sollte meinen, Langeweile sei ein einziges gewaltiges Gähnen, aber das ist sie natürlich nicht. Sie piekt einen ununterbrochen.«
    »Was heißt hier pieken? – Mir kommt es eher vor, als ob man mich mit Brennesseln schlüge.«
    »Beschäftige dich doch mit irgendwas!«
    »Um aus diesen köstlichen Stunden das Beste herauszuholen.«
    »Um deine Laune zu bessern, ganz zu schweigen von deiner Seele. Du könntest zum Beispiel philosophische Studien betreiben. Beschäftige dich doch mit Yoga oder so was Ähnlichem. Aber ein analytischer Verstand ist wohl nicht gerade sonderlich dazu geeignet, sich mit dem Abstrakten zu befassen.«
    »Ich habe schon daran gedacht, noch einmal mit Algebra anzufangen. In der Schule hatte ich wohl nicht die richtige Einstellung dazu. Aber inzwischen habe ich so viel Geometrie auf dieser verdammten Zimmerdecke betrieben, daß ich die Mathematik ein wenig leid bin.«
    »Puzzlespiele werden dir wenig helfen können, weil du ja liegen mußt. Wie wär’s mit Kreuzworträtseln? Wenn du willst, besorge ich dir Hefte.«
    »Gott schütze mich!«
    »Du könntest natürlich selbst welche machen. Das soll viel lustiger sein, als sie zu lösen.«
    »Vielleicht. Aber ein Lexikon wiegt mehrere Pfund, und ich hasse Nachschlagebücher.«
    »Spielst du eigentlich Schach? Wie wär’s mit Schachproblemen? Weiß ist am Zug, und Schach dem König oder so ähnlich.«
    »Mein Interesse am Schachspiel ist rein ästhetischer Natur.«
    »Ästhetisch?«
    »Sind doch sehr dekorative Dinger, diese Türme und Bauern und was es sonst noch gibt. So elegant.«
    »Ja, entzückend. Ich könnte dir ja ein Spiel bringen, daß du mit den Figuren spielen kannst. Na schön, dann kein Schach. Du könntest aber auch irgendwelche rein theoretischen Untersuchungen anstellen. Das ist auch eine Art von Mathematik. Ein ungelöstes Problem lösen.«
    »Meinst du, ein Verbrechen? Ach, diese klassischen Lehrbeispiele kenne ich alle auswendig. Und da gibt’s nichts Neues mehr zu entdecken, jedenfalls nicht von jemandem, der flach auf dem Rücken liegen muß.«
    »Aber nein. Ich meine ja nicht aus den Akten von Scotland Yard. Ich habe was ganz anderes gemeint, etwas mehr – wie nennt man das nur? –, etwas Klassisches. Etwas, worüber sich die Welt schon seit Jahrhunderten den Kopf zerbricht.«
    »Zum Beispiel?«
    »Na, zum Beispiel die Kassettenbriefe.«
    »Komm mir bloß nicht mit Maria Stuart!«
    »Und weshalb nicht?« fragte Marta, die, wie alle Schauspielerinnen, von Maria Stuart nur eine verklärte Vorstellung besaß.
    »Eine schlechte Frau könnte mich vielleicht interessieren, eine alberne unter keinen Umständen.«
    »Albern?« sagte Marta in ihrem schönsten tragikumwitternden Elektraton.
    »Höchst albern.«
    »Aber, Alan, wie kannst du nur?«
    »Hätte sie eine andere Art von Haube getragen, hätte sich kein Mensch um sie gekümmert. Diese Haube hat die Leute verführt.«
    »Meinst du, sie hätte in einem Sonnenhütchen weniger leidenschaftlich

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