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Alibi für einen König

Alibi für einen König

Titel: Alibi für einen König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Tey
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dargeboten.«
    »Puh!«
    »Na, wenigstens habe ich herausgebracht, woher der verehrte geheiligte Sir Thomas More sein Wissen über Richard bezog.«
    »Ja? Woher denn?«
    »Von einem gewissen John Morton.«
    »Nie gehört.«
    »Ich auch nicht. Aber das spricht nur für unsre Unbildung.«
    »Wer war denn das?«
    »Heinrichs VII. Erzbischof von Canterbury und Richards erbitterter Feind.«
    Hätte Marta pfeifen können, dann hätte sie jetzt vielsagend gepfiffen.
    »Das war also die ›zuverlässige‹ Quelle«, sagte sie.
    »Das war sie. Und auf diesem Bericht über Richard sind alle späteren Berichte aufgebaut. Nach dieser Erzählung hat Shakespeare seine Figur angelegt.«
    »Es ist also die Version eines Menschen, der Richard haßte. Das habe ich nicht gewußt. Und weshalb hat der geheiligte Sir Thomas More diesen Morton zitiert und nicht irgendeinen anderen?«
    »Ganz gleich, wen er zitiert hätte, eine Tudor-Version wäre immer dabei herausgekommen. Es scheint aber, daß er Morton zitiert, weil er als Knabe zu Mortons Haushalt gehört hat. Und weil Morton auch mit ›dabei‹ gewesen ist, war es nur natürlich, sich an die Version eines Augenzeugen zu halten, dessen Bericht More aus erster Hand bekommen konnte.«
    Marta befingerte wieder den Oliphant. »Gibt dein langweiliger fetter Historiker zu, daß es sich um eine gefärbte Version handelt?«
    »Oliphant? Nur zwischen den Zeilen. Um ehrlich zu sein, er kann sich leider von Richard gar kein rechtes Bild machen. Auf ein und derselben Seite behauptet er, er sei ein vorzüglicher Verwalter und sehr angesehener General, gesetzt und mit tadellosem Lebenswandel, im Gegensatz zu den Woodville-Emporkömmlingen, den Verwandten der Königin, außerordentlich populär, und dann wieder nennt er ihn völlig skrupellos und bereit, durch jede Menge von Blut zu waten, um die Krone, die in seiner Reichweite lag, an sich zu reißen. An der einen Stelle meint Oliphant: ›Wir haben Grund zu der Annahme, es fehle ihm jedes Gewissem, und auf der nächsten Seite gibt er Mores Bild eines Mannes wieder, dem seine eigenen Taten den Schlaf rauben. Und so geht es stundenlang weiter.«
    »Dein langweiliger fetter Oliphant bevorzugt also rote Rosen?«
    »O nein, das glaube ich nicht. Ich glaube nicht, daß er mit den Lancasters sympathisiert. Aber wenn ich es mir jetzt genau überlege, dann muß ich schon sagen, daß er der Usurpation Heinrichs VII. außerordentlich tolerant gegenübersteht. Er spricht meiner Erinnerung nach nirgendwo deutlich aus, daß Heinrich nicht den leisesten Anspruch auf den Thron hatte.«
    »Wer hat ihn denn draufgesetzt? Ich meine, den Heinrich?«
    »Die Überreste der Lancaster-Partei und die Woodville-Emporkömmlinge. Wahrscheinlich mit der Unterstützung eines Landes, das über den Mord an den Knaben empört war. Gewiß hätte jeder, der auch nur einen Tropfen Lancaster-Blut in den Adern hatte, genauso gehandelt wie er. Heinrich war allerdings schlau genug, bei seinem Thronanspruch die ›Eroberung‹ vor sein Lancaster-Blut zu stellen. ›De jure belli et de jure Lancastriae.‹ Seine Mutter war die Erbin eines illegitimen Sprößlings des dritten Sohnes von Eduard III.«
    »Ich weiß von Heinrich VII. nur, daß er phantastisch reich und phantastisch geizig war. Kennst du die himmlische Kipling-Geschichte, wie er den Handwerker zum Ritter schlug, nicht weil er eine fabelhafte Arbeit geleistet hatte, sondern weil er ihm die Kosten irgendeiner Schnitzerei erspart hatte?«
    »Mit einem rostigen Schwert, das er hinter dem Wandbehang hervorzog. Du bist offenbar eine der wenigen Frauen, die ihren Kipling wirklich gelesen haben.«
    »Oh, ich bin in vieler Hinsicht eine höchst bemerkenswerte Frau. Und du hast also bei der Erforschung von Richards Persönlichkeit noch keine Fortschritte gemacht?«
    »Nein. Ich bin mir ebenso unklar wie der gute Sir Cuthbert Oliphant. Der einzige Unterschied zwischen uns ist der, daß ich es weiß und er es nicht zu wissen scheint.«
    »Hast du mein lockiges Lämmchen öfter gesehen?«
    »Nicht mehr seit seinem ersten Besuch, und der liegt drei Tage zurück. Ich frage mich schon, ob ihn sein Versprechen vielleicht reut.«
    »Bestimmt nicht. Treue ist seine Devise und sein Glaubensbekenntnis.«
    »Dann ist er ja wie Richard«.
    »Richard?«
    »Sein Wahlspruch lautete: ›Loyaulté me lie‹. Treue bindet mich.«
    Es klopfte leise an der Tür, und auf Grants »Herein« erschien Brent Carradine, wie üblich in seinen wallenden Mantel

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