Alibi für einen König
gehüllt.
»Oh, ich sehe, ich störe. Ich wußte nicht, daß Sie hier sind, Miss Hallard. Ich begegnete der Freiheitsstatue auf dem Gang, und sie war der Meinung, Sie seien allein, Mr. Grant.«
Es fiel Grant nicht schwer, die Freiheitsstatue zu identifizieren. Marta sagte, sie wolle ohnehin gerade gehen, und Brent sei ja zur Zeit doch der willkommenere Besuch. Sie wolle ihre beiden Freunde nun in Ruhe der Beschäftigung mit der Seele eines Mörders überlassen.
Nachdem Brent Marta höflich hinauskomplimentiert hatte, kam er wieder und setzte sich mit genau der gleichen Miene auf den Besucherstuhl, mit der sich ein Engländer zu seinem Glas Portwein niederläßt, nachdem die Frauen das Eßzimmer geräumt haben. Grant überlegte, ob nicht der von Frauen versklavte Amerikaner eine gewisse Erleichterung verspüre, wenn er mit anderen Männern allein gelassen wird.
Auf Brents Frage, wie er mit Oliphant weiterkomme, antwortete er, Sir Cuthbert scheine ihm von bewundernswürdiger Klarheit zu sein. »Ich habe übrigens zufällig herausbekommen, wer die Katze und die Ratte waren. Es waren zwei durch und durch achtbare Ritter des Reichs, William Catesby und Richard Ratcliffe. Catesby war der Speaker des Unterhauses und Ratcliffe einer der Friedensvermittler mit Schottland. Es ist doch merkwürdig, welch nachhaltige Folgen ein einziger abschätziger Knüttelvers haben kann. Mit dem Eber spielte man natürlich auf Richards Wappentier an. Der weiße Eber. Besuchen Sie manchmal unsere englischen Wirtshäuser?«
»Klar. Die gehören nämlich zu den Dingen, die bei euch besser sind als bei uns.«
»Sie vergeben uns also unsere mangelhafte Installation um unseres Bieres willen.«
»Ich würde nicht so weit gehen, zu behaupten, daß ich sie Ihnen vergebe. Wir wollen mal sagen, ich nehme sie dafür mit in Kauf.«
»Sehr großzügig von Ihnen. Übrigens muß ich Ihnen eine Enttäuschung bereiten. Ihre Theorie, Richard hätte seinen Bruder gehaßt, weil dessen Schönheit seine eigene bucklige Mißgestalt noch deutlicher zur Geltung brachte, stimmt nicht. Sir Cuthbert behauptet, der Buckel sei eine Legende, wie auch der verkümmerte Arm. Es scheint, daß Richard keine sichtbare Mißbildung aufwies. Zumindest keine wesentliche. Seine linke Schulter hing ein wenig nach unten, das ist alles. Haben Sie festgestellt, wie der zeitgenössische Historiker heißt?«
»Es gibt keinen.«
»Überhaupt keinen?«
»Nicht in dem Sinne, wie Sie es meinen. Es gab Schriftsteller, die Zeitgenossen Richards waren, aber sie schrieben nach seinem Tod und für die Tudors. Damit scheiden sie für Ihre Zwecke aus. Es gibt irgendwo eine zeitgenössische Mönchs-Chronik in lateinischer Sprache, aber ich konnte ihrer bis jetzt noch nicht habhaft werden. Etwas habe ich jedoch entdeckt: Dieser Bericht über Richard III. gilt nur deshalb als der Bericht von Sir Thomas More, weil man das Manuskript unter seinen Schriften gefunden hat, und nicht, weil er ihn verfaßt hat. Es war die unfertige Abschrift eines Berichts, der an anderer Stelle in abgeschlossener Form auftaucht.«
»Na, so was!« Grant dachte interessiert über diese Eröffnung nach. »Wollen Sie damit sagen, daß es Mores persönliche Abschrift war?«
»Ja. In seiner eigenen Handschrift. Er verfertigte sie im Alter von etwa fünfunddreißig Jahren. Damals, als das Drucken noch nicht so üblich war, fertigte man laufend handschriftliche Kopien von Büchern an.«
»Ja! Da also die Information von John Morton stammte, ist es ebensogut möglich, daß Morton das alles geschrieben hat.«
»Ja.«
»Das würde jedenfalls den Mangel an Takt erklären. Einen Parvenü wie Morton würde Hintertreppenklatsch nicht abstoßen. Wissen Sie, wer Morton war?«
»Nein.«
»Er war ein Jurist, der Geistlicher wurde und es zum größten Pfründeninhaber seiner Zeit brachte. Er entschied sich für die Lancaster-Partei und hielt so lange zu ihr, bis Eduard IV. eindeutig das Heft in der Hand hatte.
Dann machte er seinen Frieden mit der York-Partei und ließ sich von Eduard zum Bischof von Ely ernennen. Und zum Vikar von Gott weiß wie vielen anderen Sprengeln. Nach Richards Thronbesteigung hielt er jedoch zunächst zu den Woodvilles und dann zu Henry Tudor. Und schließlich erhielt er den Kardinalshut als Heinrichs VII. Erzbischof von –«
»Moment mal!« sagte Brent belustigt. »Natürlich kenne ich Morton. Das ist ja der Morton, der für seinen König den Leuten das Geld aus der Tasche zog.«
»Ja, genau der.
Weitere Kostenlose Bücher