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Alibi für einen König

Alibi für einen König

Titel: Alibi für einen König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Tey
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fand.
    Lady Stanley war der hochverräterischen Korrespondenz mit ihrem Sohn für schuldig befunden worden.
    Aber Richard schien wieder einmal zu seinem eigenen Schaden großmütig gewesen zu sein. Ihre Besitzungen wurden eingezogen, aber auf ihren Gemahl überschrieben. Und das gleiche geschah mit Lady Stanley. Man unterstellte sie ihrem Gatten. Die bittere Ironie dabei war, daß Stanley ganz gewiß von der Invasion und von den Machenschaften seiner Frau gewußt hatte.
    Wahrlich, das Monstrum verhielt sich nicht, wie man es von einem Monstrum erwartete.
    Als Grant einschlief, sagte eine Stimme in seinem Innern: »Wenn die Prinzen im Juli ermordet wurden und die Woodville-Lancaster-Invasion im Oktober stattfand, weshalb bediente man sich dann nicht des Kindermordes als Kriegsgeschrei?«
    Natürlich war die Invasion geplant worden, noch ehe man überhaupt von Mord sprechen konnte. Diese Invasion war eine bis ins letzte ausgearbeitete Angelegenheit von fünfzehn Schiffen und fünftausend Söldnern gewesen und hatte gewiß langer Vorbereitungen bedurft. Aber zum Zeitpunkt des Aufstands mußte das Gerücht von Richards Schandtat im ganzen Land verbreitet gewesen sein, wenn es überhaupt ein Gerücht gegeben hatte. Weshalb hatte man die Nachricht von jenem Verbrechen nicht in ganz England ausgeschrien, damit das Grauen darüber die Menschen zu den Fahnen der Aufrührer eilen ließ?

XII
    R eg dich ab, reg dich ab«, sagte er vor sich hin, als er am nächsten Morgen erwachte. »Du fängst ja an, parteiisch zu werden. So führt man keine Untersuchung durch.«
    Er ermahnte sich zur Selbstdisziplin und fuhr in seinen Ermittlungen fort.
    Die Butler-Geschichte konnte ein Schwindel sein. Ein Märchen, das mit Stillingtons Hilfe erdacht worden war. Man konnte ja einmal annehmen, das Ober- wie das Unterhaus seien gewillt gewesen, sich einer künftigen gefestigten Regierung zuliebe hinters Licht führen zu lassen.
    Aber kam man damit dem Mord an den beiden Knaben näher?
    Eigentlich nein.
    War die Butler-Geschichte falsch, dann war Stillington der Mensch, den man beiseite schaffen mußte. Lady Eleanor war schon lange in ihrem Kloster verstorben, konnte also den Titulus Regius nicht nach Laune platzen lassen. Aber Stillington konnte es. Und Stillington hatte offenbar unbehelligt weitergelebt. Er hatte den Mann, den er auf den Thron gesetzt hatte, überlebt.
    Der plötzliche Mißton in den Trauerwochen, der abrupte Bruch im Verlauf der Krönungsvorbereitungen war entweder glänzend inszeniert oder einfach dadurch zu erklären, daß die Bombe des Stillingtonschen Geständnisses vor ahnungslosen Zuhörern explodierte. Richard war – ja, wie alt gewesen? Elf? Zwölf? – als man den Butler-Kontrakt unterzeichnet und beglaubigt hatte. Es war unwahrscheinlich, daß er jemals davon erfahren hatte.
    War die Butler-Geschichte eine Erfindung zugunsten Richards, dann mußte Richard Stillington wohl belohnt haben. Aber nichts deutete darauf hin, daß Stillington mit einem Kardinalshut oder einer Beförderung oder einem Amt belohnt worden war.
    Der sicherste Beweis für die Wahrheit der Butler-Geschichte war jedoch Heinrichs VII. dringendes Bedürfnis, sie aus der Welt zu schaffen. Wäre sie falsch gewesen, dann hätte er sie ja nur ans Licht zerren und Stillington einer Lüge überführen müssen, um Richard in Mißkredit zu bringen. Statt dessen ließ er sie totschweigen.
    In diesem Augenblick merkte Grant mit Abscheu, daß er schon wieder die Rolle des Verteidigers spielte. Er beschloß, diese Rolle aufzugeben. Er wollte sich nun mit Lavinia Fitch oder Rupert Rouge oder einem anderen der Modeautoren beschäftigen, die so schändlich mißachtet auf seinem Nachttisch lagen, und Richard Plantagenet vergessen und das Verhör erst wieder aufnehmen, wenn der junge Carradine auftauchte.
    Er steckte den Stammbaum der Enkel von Cicely Nevill in einen Umschlag, den er an Carradine adressierte und der Zwergin zur Weiterbeförderung mit der Post übergab. Dann drehte er das Porträt, das an den Büchern lehnte, um, damit das Gesicht, das Sergeant Williams ohne Zögern der Richterbank zugeteilt hatte, ihn nicht zu weiterem Nachdenken verführen konnte, und nahm sich Silas Weeklys »Der Schweiß und die Scholle« vor. Von dessen keuchenden Kraftproben ging er zu Lavinias leise klirrenden Teetassen und von diesen zu Ruperts Kulissenintrigen über. Sein Mißbehagen hatte bereits einen beachtlichen Grad erreicht, als Brent Carradine wiederum in sein Leben

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