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Alibi für einen König

Alibi für einen König

Titel: Alibi für einen König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Tey
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man einen Haustyrannen nennt. Nun lassen Sie uns die Familie durchgehen. Ich meine, Eduards Kinder. Das Schicksal der beiden Knaben ist unbekannt. Was geschah mit ihrer Schwester Cecily?«
    »Sie wurde mit Heinrichs altem Onkel, Lord Welles, vermählt und ins tiefste Lincolnshire abgeschoben. Die anderen Schwestern, Anne und Catherine, vermählte man, kaum waren sie heiratsfähig geworden, mit zuverlässigen Lancaster-Anhängern. Bridget, die Jüngste, wurde Nonne in Dartfort.«
    »Soweit macht alles einen ganz normalen Eindruck. Wer kommt nun? Georges Junge?«
    »Ja. Der junge Warwick. Zu lebenslänglichem Tower verurteilt und wegen angeblicher Fluchtpläne hingerichtet.«
    »So. Und Georges Tochter? Margaret?«
    »Sie wurde Gräfin von Salisbury. Ihre Hinrichtung unter Heinrich VIII. auf Grund einer fingierten Anklage ist offenkundig ein klassisches Beispiel für einen Justizmord.«
    »Elisabeths Sohn? Der nächste Erbe?«
    »John de la Pole. Er lebte bei seiner Tante in Burgund bis –«
    »Was, er lebte bei Richards Schwester?«
    »Ja. Und kam schließlich bei einem Aufstand um, der einen falschen Prätendenten namens Simnel auf Heinrichs Thron bringen sollte. Aber er hatte einen jüngeren Bruder, den Sie nicht auf die Liste gesetzt hatten und den Heinrich VIII. hinrichten ließ. Er hatte sich Heinrich VII. auf Grund einer Garantie für seine persönliche Sicherheit ausgeliefert. Vermutlich war Heinrich zu abergläubisch, um sein Versprechen nicht zu halten. Und er hatte ja auch schon genug auf dem Gewissen. Heinrich VIII. aber wollte nichts riskieren. Er machte auch vor de la Pole nicht halt. Es gibt noch vier weitere Menschen, die Sie auf Ihrer Liste vergaßen: Exeter, Surrey, Buckingham und Montague. Er hat sie alle beiseite geschafft.«
    »Und Richards Sohn? Der Bastard?«
    »Dem gewährte Heinrich VII. eine Apanage von zwanzig Pfund im Jahr. Aber er war der erste, der ins Gras beißen mußte.«
    »Und wie lautete die Anklage?«
    »Er wurde verdächtigt, eine Einladung nach Irland empfangen zu haben.«
    »Ist das ein Witz?«
    »I bewahre! Irland war das Zentrum der loyalistischen Rebellion. Die Familie York war in Irland sehr populär, und in Heinrichs Augen war eine solche Einladung ein todeswürdiges Verbrechen. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, warum Heinrich den jungen John so wichtig genommen hat. Nach zeitgenössischen Berichten war er ein ›unternehmungslustiger, gutmütiger Knabe‹.«
    »Aber sein Anspruch war berechtigter als der Heinrichs«, sagte Grant giftig. »Er war der illegitime einzige Sohn eines Königs. Heinrich war der Urenkel eines illegitimen Sohnes des jüngeren Sohnes eines Königs.«
    Es herrschte einige Zeit Schweigen.
    Dann sagte Carradine in die Stille hinein: »Ja.«
    »Was bejahen Sie?«
    »Was Sie gerade denken.«
    »Es sieht doch wohl so aus. Die beiden sind die einzigen, die uns noch fehlen.«
    Wieder herrschte Schweigen. »Es waren lauter Justizmorde«, sagte Grant nach einiger Zeit. »Morde, die unter der Maske des Rechts ausgeführt wurden. Zwei Kinder kann man jedoch nicht eines Kapitalverbrechens anklagen.«
    »Nein«, pflichtete Carradine bei und betrachtete weiter die Spatzen. »Nein, da mußte man sich etwas anderes ausdenken. Und schließlich waren sie die wichtigen.«
    »Die ausschlaggebenden.«
    »Wie wollen wir vorgehen?«
    »Genau wie bei Richards Thronfolge. Wir müssen feststellen, wo sich jeder in den ersten Monaten von Heinrichs Regierung befand und was er tat. Nehmen wir einmal das erste Regierungs jahr. Irgendwo wird sich dann eine Unstimmigkeit zeigen wie bei den Vorbereitungen zur Krönung des jungen Thronfolgers.«
    »Ganz richtig.«
    »Haben Sie etwas über Tyrrel herausbekommen? Was war das für ein Bursche?«
    »Der war ganz anders, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Ich hatte ihn für eine Art Randfigur gehalten. Sie nicht auch?«
    »Ja. War er das denn nicht?«
    »Nein. Er war eine wichtige Persönlichkeit. Er war Sir James Tyrrel of Gipping. Er war in verschiedenen – ich glaube, man nennt das Ausschüsse – unter Eduard IV. Und bei der Belagerung von Berwick wurde er zu einem Knight Banneret ernannt – was das heißt, weiß ich nicht. Unter Richard ging es ihm auch nicht schlecht. Ich kann aber nicht feststellen, ob er an der Schlacht von Bosworth teilgenommen hat. Eine Menge Leute kamen zu spät zu dieser Schlacht – wußten Sie das? Ich glaube also nicht, daß man aus seiner Abwesenheit besondere Schlüsse ziehen kann. Auf jeden Fall war

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