Alibi in High Heels (German Edition)
einen Mord kam Maddie nicht an. Ich schaltete Lucy aus, schloss die Augen und fragte mich, ob Ramirez mir überhaupt schon jemals seine ungeteilte Aufmerksamkeit geschenkt hatte.
Am nächsten Morgen weckte mich der Wecker noch vor Anbruch der Dämmerung mit einem Song von den Black Eyed Peas. Kurz überlegte ich, ob ich tatsächlich so früh aufstehen sollte. Aber ich wollte ja den Eiffelturm sehen. Also quälte ich mich aus dem Bett und hüpfte (buchstäblich) unter die Dusche, ein Bein drinnen, das andere (das mit dem Gips) draußen, was dazu führte, dass mir Shampoo in die Augen lief, die Rasur an meinem gesunden Bein sehr eigenwillig ausfiel und ich zu einem Aerobic-Training kam, das locker mit Danas Steppkurs mithalten konnte. Zwanzig Minuten später fühlte ich mich zwar, als wäre ich einen Marathon gelaufen, aber ich war sauber und hatte eine schwarze Jeans angezogen (ein Bein bis zum Knie aufgerollt), ein Ed-Hardy-T-Shirt, das mit einem Totenkopf und Gänseblümchen bedruckt war, und einen silbernen Ballerinaschuh. Ich bat den Portier, mir ein Taxi zu rufen, das mich durch die frische Morgenluft zum Louvre fuhr, dieses Mal mit einem großen Café au lait aus dem Café des Plazas. Man kann mir nicht nachsagen, dass ich nicht schnell lerne.
Als ich ankam, spähte die Sonne schon hinter dem Gebäude hervor und beleuchtete die beeindruckende Glaspyramide im Vorhof des Louvre. Das von den Kanten und Schrägen reflektierende Licht verlieh ihr ein fast überirdisches Aussehen und ließ mich an den riesigen Kristallball denken, der jedes Jahr zu Silvester in New York heruntergelassen wird. Einen Moment blieb ich stehen und sah, an meinem Kaffee nippend, zu, wie die aufgehende Sonne sie langsam in Rosa- und Pinktönen färbte.
Als ich den Pappbecher in einen Mülleimer warf, nahm ich mir vor, eine Einwegkamera zu kaufen, bevor ich morgen früh wieder herkam, und humpelte dann durch die Klappen des Zeltes von Le Croix.
Aber weit kam ich nicht, denn ich stieß gegen Jean Luc.
»Oh, tut mir leid, ich bin immer noch ein wenig ungeschickt mit den Dingern. Die Ärztin sagt, ich würde mich daran gewöhnen, aber – «
Jean Luc ließ mich nicht ausreden. Weiß wie ein Laken, die Pupillen in den weit aufgerissenen Augen riesig, packte er mich bei den Schultern. »Maddie«, sagte er mit erstickter Stimme. »Es ist Gisella.«
Er zeigte auf den gerade aufgebauten Laufsteg. Ein paar Bretter und die Seitenteile fehlten noch. Daneben befanden sich auf der einen Seite ein Haufen Holzverschnitt und auf der anderen ein Sägebock, der auf die Arbeiter wartete, damit sie ihre Arbeit fortsetzten.
Und auf dem Laufsteg lag Gisella, Jean Lucs Hauptmodel. Mit dem Gesicht nach oben. Das glatte Haar lag wie ein Fächer um ihren Kopf, unter dem sich eine Lache von etwas Dickflüssigem, Dunkelrotem ausgebreitet hatte. Und aus ihrem Hals ragte einer meiner spitzen schwarzen Knöchelriemchen-Stilettos.
4
Meine Krücken rutschten weg, und ich geriet ins Taumeln. Ich hielt den Blick fest auf den Boden gerichtet, auf den Zelteingang, auf das Bild des wunderschönen Pariser Himmels. Überallhin, nur nicht auf die hässliche rote Lache, die Gisellas Kopf umgab. Ich holte tief Luft. Schlechte Idee. Denn jetzt stieg mir ein furchtbar süßer Geruch in die Nase, und mein Magen protestierte. Schnell hinkte ich zum Ausgang. Wenn ich mich schon übergeben musste, dann vielleicht doch lieber nicht am Tatort – denn dass dies einer war, daran bestand kein Zweifel.
Der Stiletto-Absatz im Hals. Genauso hatte ich es bei Miss Wenn-Geliebte-ausrasten gemacht, kurz nachdem ich ihr in ihr Brustimplantat gestochen hatte. Schon damals hatte mich die Sache sehr mitgenommen, aber jetzt die gleiche Szene noch einmal vor mir zu sehen, war so unheimlich, dass mir auf einmal war, als hätte ich Motoröl statt Kaffee im Magen.
Und dass der Schuh, der in ihrem Hals steckte, mein Modell war, machte es nicht besser.
Draußen vor dem Zelt verschwamm die Umgebung vor meinen Augen, mein gesundes Bein gab nach, und ich ließ mich langsam auf dem Boden gleiten. Ich legte den Kopf zwischen die Knie, schloss die Augen und atmete mehrmals tief ein und aus. Die Luft roch nach Kaffee, nassem Gras und Lederballerinas.
»Wir müssen die Polizei rufen«, sagte Jean Luc, der neben mir stand, dessen Stimme aber seltsamerweise von weit her klang.
Mit zitternder Hand ergriff ich mein Handy. Nachdem ich, wie mir schien, ein wenig zu lange auf die Tasten gestarrt hatte, ging mir
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