Alibi in High Heels (German Edition)
auf, dass ich keine Ahnung hatte, welche Nummer ich wählen sollte, und reichte das Telefon an Jean Luc weiter.
Dann steckte ich schnell wieder den Kopf zwischen die Knie.
Minuten später wimmelte es in dem Zelt von Menschen.
Glücklicherweise hatte Jean Luc die Nummer der Polizei gewusst. Und kurz darauf waren sie in Scharen erschienen: Polizisten in blauen Uniformen, die denen der amerikanischen Kollegen verblüffend ähnlich waren, Kriminaltechniker in schwarzen Windjacken mit Kisten voller Asservatenbeutel und zwei Männer in langen Mänteln, die eine mit einer schwarzen Plane bedeckte Metallbahre hereinbrachten. Dann kam die zweite Welle, die Paparazzi. Blitzlichter gingen los, Notizblöcke wurden gezückt und Fernsehkameras aus aller Herren Länder richteten sich auf die Klappen der weißen Zeltplane, in der Hoffnung, eine Aufnahme von Gisellas übel zugerichteter Leiche zu bekommen. Immer wieder suchte ich die Menge nach Felix ab. Ich wusste, wenn eine solche Story winkte, konnte er nicht weit sein.
Ann, Jean Luc und ich warteten ein wenig abseits, neben einer größer werdenden Gruppe von Models, die sich die Augen mit Papiertüchern tupften und gedämpft Oh mein Gott murmelten, als sie nach und nach zu den anderen stießen und die Neuigkeit erfuhren. Anns Headset blieb auf unheimliche Weise stumm, während wir das Geschehen beobachteten. Jean Luc, dessen Gesicht eine ungesunde gelbe Farbe angenommen hatte, warf sich Magensäurehemmer in den Mund wie PEZ -Bonbons. Ich saß immer noch auf dem Boden, die Krücken neben mir. Doch es gab auch Gutes zu vermelden: Mein Magen hatte seine Versuche eingestellt, mich um mein Morgenkoffein zu bringen.
»Ich … ich kann das einfach nicht glauben«, sagte Jean Luc mit zitternder Stimme und steckte sich noch eine der kreidigen Tabletten in den Mund. »Das kann doch alles nicht wahr sein. Nicht eine Woche vor der Show!«
»Doch, es ist wahr«, versicherte ihm Ann, die dunklen Augen aufmerksam auf die stetig anwachsende Zahl der Reporter gerichtet.
»Erst die Halskette und nun das.« Jean Luc rang die Hände. »Ich muss Lord Ackerman anrufen. Er wird vor Wut außer sich sein.«
Als die Zeltklappen sich öffneten, hielten wir alle den Atem an und die Paparazzi drängten näher heran, um Gisella ein letztes Mal vor die Linse zu bekommen. Doch stattdessen erschien ein groß gewachsener Mann mit hängenden Schultern und einem Schnurrbart, der aussah, als sei ein kleines, pelziges Tier auf seiner Oberlippe gestorben. Er trug einen billigen grauen Anzug, der ihm mindestens zwei Nummern zu groß war, und hielt sich ein Handy ans Ohr. Er sprach schnell etwas auf Französisch hinein, dann klappte er es zu und suchte den Platz ab, bis sein Blick an unserer kleinen Gruppe hängen blieb.
»Wer von Ihnen hat die Leiche gefunden?«, fragte er im Näherkommen mit französischem Akzent.
Ich räusperte mich, packte meine Krücken und rappelte mich in eine vertikale Position hoch.
»Ich«, meldete Jean Luc sich zu Wort. »Und kurz darauf kam Maddie.«
»Ah. Mademoiselle – « Der Mann zog einen Notizblock in einem schwarzen Ledereinband aus der Tasche und blätterte darin. »– Springer?«, fragte er und sah fragend in meine Richtung.
Ich nickte.
»Detective Moreau.« Statt mir die Hand anzubieten, klappte der Detective den Notizblock zu. »Ich würde Ihnen gern ein paar Fragen stellen.«
Ich holte tief Luft, als wollte ich damit den Mut inhalieren, der mir in diesem Moment völlig abhandengekommen war. »Fragen Sie.«
»Eigentlich würde ich mich gern unter vier Augen mit Ihnen unterhalten.« Er warf Jean Luc einen Blick zu, dessen Gesicht weißer als das eines Gothic-Mädchens war. »Können wir uns irgendwohin zurückziehen?«, fragte er und wies auf den Hof.
»Der Arbeitsraum«, schlug Ann vor. »Hier entlang.«
Sie führte uns über den Hof durch die größer werdende Menschenmenge zu den Arbeitsräumen, schloss eine Tür auf und ließ Moreau und mich hinein.
» Merci «, sagte Moreau mit einer angedeuteten Verbeugung. Dann sah er Ann erwartungsvoll an. Offenbar war sie entlassen.
Ann verstand den Wink. »Lassen Sie es mich wissen, falls Sie noch etwas brauchen sollten«, sagte sie, bevor sie ging.
Moreau schloss die Tür und wies dann auf einen Holzstuhl hinter einem der Arbeitstische, auf dem ein halbfertiger Bleistiftrock lag. »Nehmen Sie bitte Platz.«
Ich setzte mich, während Moreau wieder seinen Notizblock und einen kurzen gelben Bleistift zückte, der
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