Alibi in High Heels (German Edition)
Unerwiderte Liebe, Eifersucht – beides klassische Gründe, jemandem den Tod zu wünschen. Und hatte ich nicht bei Law&Order gelernt, dass gewöhnlich der Freund der Täter war?
Und da wir gerade bei dem Motiv Eifersucht waren: Was war mit Angelica? Ich notierte auch ihren Namen auf der Liste. Schließlich hatte ich nur ihr Wort, dass sie Gisella nicht noch einen Besuch abgestattet hatte, nachdem Felix gegangen war. Es wäre ein Leichtes für Angelica gewesen, unbemerkt aus ihrem Zimmer zu schlüpfen und Gisella in das Zelt zu locken.
Mit dem Stift über dem Papier hielt ich inne. Warum ausgerechnet das Zelt?, fragte ich mich. Was hatte Gisella so früh dort zu suchen gehabt? Wollte sie sich dort mit jemandem treffen?
Da kam mir ein schrecklicher Gedanke. Als ich das Zelt betreten hatte, war sie nicht allein gewesen. Jean Luc hatte sich ebenfalls dort befunden. Damals war ich wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass er kurz vor mir eingetroffen war. Aber was, wenn er die ganze Zeit schon dort gewesen war? Was, wenn er derjenige war, der Gisella erstochen hatte? Ich konnte mir zwar beim besten Willen nicht vorstellen, warum er so etwas tun sollte, aber er hatte sowohl die Gelegenheit als auch die Mittel in ausreichender Anzahl gehabt. Jetzt fragte ich mich, wie gut Jean Luc Gisella gekannt hatte und welche Geschichte sie möglicherweise verband. Er hatte erwähnt, wie schwierig sie als Model war. Hatte er nur von dieser einen Show gesprochen oder hatten sie vorher schon zusammengearbeitet?
Widerstrebend schrieb ich auch seinen Namen dazu. Dann starrte ich auf meine Liste.
Eines stand fest: Es war höchste Zeit, dass ich zurück nach Paris flog.
Als mein Flieger auf dem Flughafen Charles de Gaulle landete, ging die Sonne bereits unter. Ich nahm mir ein Taxi zum Hotel und ging direkt hinauf in mein Zimmer. Insgeheim hatte ich gehofft, dort einen stinksauren Cop vorzufinden, doch diese Hoffnung erlosch schnell, als ich den dunklen, leeren Raum betrat. Ramirez’ Taschen waren fort. Keine Nachricht. Nichts deutete darauf hin, dass er überhaupt je hier gewesen war, außer einem leichten Hauch seines Aftershaves im Badezimmer. Ich atmete tief durch. Nein, ich würde nicht wieder weinen. Ich zückte das Handy und hinterließ Ramirez eine Nachricht, um ihm zu sagen, wo ich war, so wie ich es ihm versprochen hatte. Dann zog ich das Kleid aus und eine schwarze Caprihose und ein schwarzes langärmeliges T-Shirt von DKNY an. Ich schlüpfte in einen schwarzen Ballerinaschuh und umrahmte meine Augen extra dick mit schwarzem Eyeliner, damit nicht auffiel, wie rot und geschwollen sie waren. Dann hielt ich einen Föhn an meine Haare, aber auch der konnte gegen das, was ein französischer Zopf und Regenwasser angerichtet hatten, nichts ausrichten. Also nahm ich sie zu einem zerzausten Pferdeschwanz zusammen, packte meine Krücken und machte mich in Richtung Le Carrousel du Louvre auf den Weg.
Die erste Person, die ich sah, als ich ankam, war Dana. Sie saß mit einer Gruppe Models vor dem Zelt und trank Perrier mit einem Strohhalm.
»Mads!« Sie sprang auf und zog mich beiseite, außer Hörweite. »Was ist passiert?«, fragte sie leise. »Ist Felix der Täter? Hast du ihn zur Rede gestellt?«
Ich spürte, wie sich wieder der Kloß in meinem Hals bildete, doch ich ignorierte ihn und berichtete Dana, was geschehen war. Anschließend hatte sie, als gute Freundin, die sie war, Tränen in den Augen.
»Oh Mads, das tut mir leid.« Sie umarmte mich. »Mach dir keine Sorgen. Ramirez kriegt sich schon wieder ein. Der Mann ist doch verrückt nach dir.«
Da war ich mir nicht so sicher. Aber irgendwie war es tröstlich, so zu tun. »Meinst du?«
Dana nickte. »Natürlich. Lass ihm nur ein wenig Zeit.«
»Okay. Danke. Mir geht es schon wieder besser. Wirklich.« Ich schniefte, als mir die Tränen wieder in die Augen stiegen. Nicht sehr überzeugend. »Ist Jean Luc hier irgendwo?«
»Er ist im Arbeitsraum«, sagte sie. »Mit einer ganzen Kiste schlichter schwarzer Pumps. Jetzt versucht er sich einzureden, dass sie zur Show passen.«
Ich zuckte zusammen. Die Pumps hatte ich ganz vergessen. »Wie schlimm sehen sie aus?«
»Schlimm. Ich habe versucht, ihn davon zu überzeugen, dass du Wunder wirken kannst, aber … na ja … Ich glaube, Jean Luc steht kurz davor, sich die Pulsadern aufzuschlitzen.«
»Ich werde mal sehen, was ich machen kann.«
Ich ließ sie mit ihrem Sprudelwasser zurück und schlüpfte ins Zelt.
Jean Luc
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