Alibi
empfahl Colonel Melrose.
«Oder alle beide», schlug Poirot lächelnd vor.
Colonel Melrose ging hinaus, um Raymond zu suchen, ich klingelte nochmals nach Parker. Unmittelbar danach kam Melrose in Begleitung des jungen Sekretärs zurück, den er Poirot vorstellte.
«Hatte keine Ahnung, dass Sie inkognito hier leben, Mr. Poirot», sagte er, «es wird mir großes Vergnügen bereiten, Sie bei Ihrer Arbeit beobachten zu dürfen. Hallo, was ist das?»
Poirot stand links neben der Tür, und ich sah, dass er, während ich ihm den Rücken kehrte, schnell den Lehnstuhl hervorgezogen haben musste, bis er so stand, wie Parker es angegeben hatte.
«Soll ich in dem Stuhl Platz nehmen, während Sie mir eine Blutprobe abzapfen?», fragte Raymond. «Was soll das bedeuten?»
«Mr. Raymond, dieser Sessel war gestern Nacht bis hierher vorgeschoben, als Mr. Ackroyd tot aufgefunden wurde. Irgend jemand hat ihn wieder an seinen Platz gerückt. Waren Sie es vielleicht?»
Die Antwort des Sekretärs erfolgte ohne das geringste Zögern: «Nein, ich war es nicht. Ich kann mich nicht einmal entsinnen, ihn in dieser Stellung gesehen zu haben. Jedenfalls muss irgend jemand den Stuhl an seinen Platz gerückt haben. Wurde dadurch eine Spur verwischt? Das wäre zu dumm.»
«Es hat keine Bedeutung», sagte der Detektiv, «nicht die geringste Bedeutung. Aber sagen Sie, Mr. Raymond, hat irgendein Fremder letzte Woche bei Mr. Ackroyd vorgesprochen?»
«Nein», sagte Raymond schließlich. «Ich kann mich an niemanden erinnern. Wissen Sie vielleicht etwas, Parker?»
«Verzeihung, Sir …?»
«War vorige Woche ein Fremder bei Mr. Ackroyd?»
«Mittwoch war ein junger Mann da», sagte er überlegend. «Er kam von Curtis & Troute, wenn ich richtig verstand.»
«O ja, ich entsinne mich», rief Raymond, «aber die Herren suchen nicht nach einem Fremden dieser Art.»
Er wandte sich an Poirot. «Mr. Ackroyd hatte die Absicht, ein Diktaphon anzuschaffen», erklärte er, «und die Fabrik sandte uns ihren Vertreter, doch wurde nichts daraus. Mr. Ackroyd konnte sich dann doch nicht gleich zu dem Kauf entschließen.»
Poirot wandte sich dem Butler zu.
«Können Sie mir jenen jungen Mann beschreiben, lieber Parker?»
«Er war blond, klein und hatte einen blauen Anzug an.»
«Der Mann, dem Sie vor dem Tor begegneten, Doktor, war groß, nicht wahr?», wandte sich Poirot jetzt an mich.
«Ja. Meiner Schätzung nach ungefähr sechs Fuß groß.»
«Das stimmt also nicht», erklärte der Belgier ruhig. «Danke, Parker.»
Der Butler trat zu Raymond. «Doktor Hammond ist eben gekommen, Sir. Er würde sich freuen, Sie einen Augenblick sprechen zu dürfen.»
«Ich komme sofort», sagte der junge Mann und eilte hinaus.
Poirot sah den Polizeichef fragend an.
«Der Anwalt der Familie, Mr. Poirot», erklärte dieser.
«Raymond scheint sehr beschäftigt», sagte Poirot leise.
«Ich glaube, Mr. Ackroyd hielt sehr viel von ihm.»
«Ist er schon lange hier?»
«Zwei Jahre, glaube ich.»
«Seine Pflichten scheint er sehr genau zu erfüllen. Da von bin ich überzeugt. Womit beschäftigt er sich in seiner Freizeit? Interessiert er sich für Sport?»
«Privatsekretären bleibt nicht viel Zeit für derlei Dinge», sagte Colonel Melrose lächelnd. «Ich glaube, er spielt Golf, ab und zu auch Tennis.»
Poirot nickte und schien das Thema fallen zu lassen. Er sah sich langsam im Arbeitszimmer um.
«Ich hoffe nun alles gesehen zu haben, was es hier zu sehen gibt.»
«Wenn diese Mauern sprechen könnten!», flüsterte ich.
Poirot schüttelte den Kopf.
«Eine Zunge genügt da wohl nicht», orakelte er. «Sie müssten auch Augen und Ohren haben. Doch verlassen Sie sich nicht zu sehr darauf, dass diese toten Dinge immer stumm sind.» Er berührte den Bücherschrank. «Tische, Stühle, alles spricht manchmal zu mir, Sie haben alle ihre Botschaft an mich!»
Er wandte sich der Tür zu.
«Was für eine Botschaft?», rief ich. «Was sagten sie Ihnen heute?»
Mit spöttisch hochgezogenen Brauen blickte er zu mir zurück. «Ein geöffnetes Fenster», sagte er. «Eine versperrte Tür. Ein Stuhl, der sich anscheinend von selbst bewegt. Alle drei rufen mir ‹warum› zu, und ich finde keine Antwort.»
Er schüttelte den Kopf und blinzelte uns zu. Er sah lächerlich eingebildet aus.
Ich glaube, der gleiche Gedanke beschäftigte Colonel Melrose, denn er runzelte die Stirn.
«Wünschen Sie noch irgend etwas zu sehen, Mr. Poirot?», fragte er schroff.
«Vielleicht würden
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