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Alibi

Alibi

Titel: Alibi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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ich.
    «So?», sagte der Inspektor lebhaft.
    «Ja», fuhr ich boshaft fort, «er behauptet, der Mann sei nur gekommen, weil er aus Kent gebürtig sei.»
    Es bereitete mir eine ausgesprochene Freude, meine eigene Verständnislosigkeit weitergeben zu können.
    «Nicht ganz richtig im Kopf», meinte Raglan. «Ich vermute das schon seit einiger Zeit. Armer alter Herr, darum musste er also den Beruf aufgeben und sich hierher zurückziehen! Offenbar ein Familienübel. Er hat einen Neffen, der danebengeraten ist.»
    «Ein Neffe von Poirot?» fragte ich sehr erstaunt.
    «Ja, hat er mit Ihnen nie darüber gesprochen? Er soll sehr fügsam sein, nur im höchsten Grade närrisch, armer Teufel!»
    «Von wem wissen Sie das?»
    Wieder glitt ein Grinsen über Inspektor Raglans Gesicht.
    «Ihre Schwester, Miss Sheppard, erzählte es mir.»
    Caroline ist erstaunlich. Sie ruht nicht, bevor sie nicht jedermanns Familiengeheimnisse kennt. Unglücklicherweise konnte ich ihr nie soviel Anstand beibringen, das Erfahrene für sich zu behalten.
    «Steigen Sie ein, Inspektor.» Ich öffnete den Wagenschlag.
    «Fahren wir zusammen zu unserem belgischen Freund und teilen ihm die letzten Neuigkeiten mit.»
    «Das könnten wir machen. Schließlich – wenn er auch nicht recht bei Trost ist – hat er mir doch einen nützlichen Wink bezüglich jener Fingerabdrücke gegeben. Er hat zwar einen Floh im Ohr, was jenen Kent anbelangt, aber wer weiß – vielleicht steckt doch etwas Brauchbares dahinter.»
    Poirot empfing uns mit der ihm eigenen lächelnden Zuvorkommenheit. Er lauschte unserem Bericht und nickte nur ab und zu mit dem Kopf.
    «Was sagen Sie nun?», fragte der Inspektor fast schwermütig.
    «Es ist doch nicht möglich, dass jemand einen Mord begeht und zur gleichen Zeit eine Meile weit entfernt in einer Schenke sitzt.»
    «Wird man ihn frei lassen?»
    «Ich wüsste nicht, was wir sonst tun könnten. Wir können ihn doch nicht unter dem Vorwand zurückhalten, dass er sich unter falschen Vorspiegelungen Geld verschafft hat!»
    «Wenn ich an Ihrer Stelle wäre», widersprach Poirot, «würde ich Charles Kent noch nicht entlassen.»
    «Was meinen Sie damit?»
    «Was ich sage. Ich würde ihn noch nicht entlassen.»
    «Sie glauben doch nicht, dass er irgendetwas mit dem Mord zu tun hat?»
    «Ich denke, dass der Mord ihn vermutlich nichts angeht – man weiß es aber nicht sicher.»
    «Aber erzählte ich Ihnen nicht eben …»
    Poirot hob abwehrend die Hand.
    «Mais oui, mais oui. Ich habe gut gehört. Ich bin glücklicherweise weder taub noch blöd! Aber sehen Sie, Sie gehen die Sache unter falschen Voraussetzungen an.»
    Der Inspektor blickte ihn verständnislos an.
    «Ich weiß nicht, was Sie zu dieser Annahme veranlasst. Sehen Sie, wir wissen, dass Ackroyd um drei viertel zehn Uhr noch lebte. Das geben Sie doch zu, nicht?»
    Poirot sah ihn einen Augenblick lang lächelnd an, dann schüttelte er den Kopf.
    «Ich gebe nichts zu, was nicht bewiesen ist.»
    «Nun, wir haben doch genügend Beweise dafür. Wir haben Miss Floras Aussagen.»
    «Dass sie ihrem Onkel gute Nacht wünschte? Ich – ich glaube nicht immer alles, was ein junges Mädchen mir erzählt; nein, nicht einmal, wenn es schön und liebenswürdig ist.»
    «Aber, zum Teufel, Sir. Parker sah sie doch aus der Tür treten …»
    «Nein.» Poirots Stimme klang plötzlich sehr scharf.
    «Das eben sah er nicht. Ich überzeugte mich davon durch die kleine Komödie, die ich neulich veranstaltete. Sie erinnern sich doch, lieber Doktor? Parker sah sie vor der Tür, mit der Hand auf der Klinke. Er sah sie nicht aus dem Zimmer kommen.»
    «Aber – wo könnte sie denn sonst gewesen sein?»
    «Vielleicht oben auf der Treppe.»
    «Oben?»
    «Ein kleiner Einfall von mir!»
    «Aber diese Treppe führt doch nur zu Mr. Ackroyds Schlafzimmer.»
    «Ganz richtig.»
    Der Inspektor starrte ihn noch immer an.
    «Sie glauben also, dass sie im Schlafzimmer ihres Onkels gewesen ist? Und wennschon! Weshalb sollte sie das zu verheimlichen suchen?»
    «Das ist eben die Frage! Es hängt davon ab, was sie dort tat, nicht wahr?»
    «Sie meinen – das Geld? Zum Kuckuck, Sie werden doch nicht behaupten wollen, dass Miss Ackroyd jene vierzig Pfund genommen hat?»
    «Ich behaupte gar nichts», erwiderte Poirot. «Aber ich möchte Sie an Folgendes erinnern: Für Mutter und Tochter war das Leben nicht sehr leicht. Rechnungen über Rechnungen kamen, und es gab beständig Unannehmlichkeiten. Roger Ackroyd war sehr eigen in

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