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Alibi

Alibi

Titel: Alibi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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sondern früher. Zwischen zehn Minuten vor neun, als Doktor Sheppard wegging, und drei viertel zehn.»
    Ich sah, wie die Farbe aus ihrem Gesicht wich, wie sie totenblass wurde. Sie neigte sich vor, ihre Gestalt schwankte.
    «Aber Miss Ackroyd sagte – Miss Ackroyd sagte …»
    «Miss Ackroyd hat bereits zugegeben, dass sie log. Sie hat das Arbeitszimmer den ganzen Abend nicht betreten.»
    «Und …»
    «Somit hätten wir in jenem Charles Kent den Mann gefunden, den wir suchen. Er kam nach Fernly, kann nicht Rechenschaft darüber ablegen, was er dort getan hat …»
    «Ich kann Ihnen sagen, was er dort getan hat. Er hat Mr. Ackroyd kein Haar gekrümmt und ist überhaupt nie in die Nähe des Arbeitszimmers gekommen. Er hat es nicht getan, das sage ich Ihnen.»
    Sie neigte sich vor. Ihre eiserne Selbstbeherrschung war endlich gebrochen. Schrecken und Verzweiflung spiegelten sich in ihrem Gesicht.
    «Monsieur Poirot! Monsieur Poirot! Bitte, glauben Sie mir!»
    Poirot stand auf und ging auf sie zu. Er klopfte ihr beruhigend auf die Schulter.
    «Aber ja, gewiss will ich Ihnen glauben. Ich musste Sie nur zum Sprechen bringen.»
    Einen Augenblick lang regte sich ihr Misstrauen.
    «Ist das auch wahr, was Sie sagen?»
    «Dass jener Charles Kent des Verbrechens bezichtigt wird? Ja, das ist wahr. Sie allein können ihn retten, wenn Sie den Grund für seine Anwesenheit in Fernly angeben.»
    «Er kam, um mich zu sehen.» Sie sprach mit leiser, eiliger Stimme.
    «Ich ging ihm entgegen …»
    «In das Gartenhaus, ja, das weiß ich.»
    «Woher wissen Sie das?»
    «Mademoiselle, es ist der Beruf von Hercule Poirot, alles zu wissen. Ich weiß, dass Sie an jenem Abend schon früher ausgegangen waren und dass Sie im Gartenhaus eine Botschaft zurückließen, die besagte, um welche Zeit Sie hinkommen wollten.»
    «Ja, das tat ich. Er hatte mir Nachricht gegeben, dass er kommen werde. Ich wagte nicht, ihn in das Haus zu lassen. Ich schrieb an die von ihm bezeichnete Adresse, dass ich ihn im Gartenhaus treffen wollte, und beschrieb es ihm genau. Dann fürchtete ich, dass er vielleicht nicht warten werde, und lief hinaus, um dort Nachricht zu hinterlassen, dass ich erst zehn Minuten nach neun kommen könne. Ich wollte vermeiden, dass die Dienerschaft mich sah, deshalb schlüpfte ich durch die Balkontür des Salons. Als ich zurückkam, begegnete mir Doktor Sheppard. Mein Atem ging schnell, so hastig war ich gelaufen. Ich hatte keine Ahnung, dass er an jenem Abend zum Dinner erwartet wurde.»
    «Fahren Sie fort», sagte Poirot. «Sie gingen also zehn Minuten nach neun hinaus, um ihn zu treffen. Was sprachen Sie miteinander?»
    «Das ist nicht so leicht zu …»
    «Mademoiselle», unterbrach sie Poirot, «in dieser Angelegenheit muss mir die volle Wahrheit gesagt werden. Was Sie uns erzählen, braucht nie über diese vier Wände hinauszugelangen. Doktor Sheppard wird verschwiegen sein, und ich bin es auch. Sehen Sie, ich will Ihnen doch helfen. Jener Charles Kent ist Ihr Sohn, nicht wahr?»
    Sie nickte. Tiefe Röte war ihr in die Wangen geschossen.
    «Niemand wusste es bisher. Es war vor langer, langer Zeit – unten in Kent. Ich war nicht verheiratet …»
    «Darum gaben Sie ihm den Namen der Grafschaft als Familiennamen. Ich verstehe.»
    «Ich habe gearbeitet. Ich brachte es fertig, für seinen Unterhalt zu sorgen. Ich habe ihm nie gesagt, dass ich seine Mutter bin. Aber er geriet auf die schiefe Bahn, trank und nahm Rauschgift. Ich ermöglichte ihm die Überfahrt nach Kanada. Fast zwei Jahre lang hörte ich nichts von ihm. Dann fand er irgendwie heraus, dass ich seine Mutter bin. Er schrieb und verlangte Geld. Schließlich gab er Nachricht, er sei wieder im Lande. Er wolle mich in Fernly besuchen, schrieb er. Ich durfte ihn nicht ins Haus lassen. Ich hatte einen so guten Ruf. Wenn irgendjemand etwas davon erfahren hätte, wäre es um meine Stellung geschehen gewesen. Also schrieb ich ihm in der eben erwähnten Weise.»
    «Und am Morgen fragten Sie Doktor Sheppard um Rat?»
    «Ja, ich wollte erfahren, ob es nicht eine Hilfe gebe. Er war kein schlechter Junge – bevor er sich an das Gift gewöhnte.»
    «Ich verstehe», sagte Poirot. «Fahren Sie fort. Kam er dann am Abend in das Gartenhaus?»
    «Ja, er wartete bereits auf mich. Er war sehr grob und anmaßend. Ich hatte mein ganzes Geld mitgebracht und gab es ihm. Wir sprachen nur wenig, und dann ging er fort.»
    «Um welche Zeit war das?»
    «Es dürfte zwischen 20 und 25 Minuten nach neun

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