Alice@Hollywood
natürlich nur eines in Frage: shoppen. Prada, Gucci, Armani, alles was das Herz begehrt, findet sich in New York in üppigster Auswahl. Meine Bedenken, falls die Airline überhaupt etwas zahlen würde, dann maximal ein paar Slips von Woolworth, ignoriert Ruth geflissentlich. Sie sieht sich schon bei Saks an der Kasse stehen und die Worte »Schreiben Sie's auf United Airlines« von sich geben. Obwohl Ruth das Wort »öko« schon mit dem selbst gekochten Babybrei verinnerlicht hat, ist sie die größte Markenfetischistin, die ich kenne. Selbst ihre Jutetasche ziert ein Sticker von Dolce und Gabbana. Und Ruth versteht es prima, die exorbitanten Kosten für neue Klamotten mit ihrem Umweltbewusstsein in Einklang zu bringen. Sie sieht das so: »Style hat seinen Preis. Wenn ich sündhaft teure Sachen kaufe, ziehe ich sie nicht so oft an. Entsprechend halten sie länger. Ich muss sie also nicht nach kurzer Zeit wegwerfen. Das reduziert den Müll und hilft der Umwelt .« Klingt logisch. Also gehen wir shoppen. Und mich lenkt es ein bisschen ab. Denn am liebsten würde ich mich ins nächste Taxi schwingen und geradewegs zu Steve brausen. Um dann vor seiner verschlossenen Wohnungstür zu stehen. Denn Steve weiß ja noch nichts von seinem Glück und ist sicher brav in der Uni. Ich werde es heute Nachmittag bei ihm probieren. Bis dahin kann ich mit den Mädels schon mal ein paar Boutiquen checken, durch die ich dann morgen ausgiebig mit Steve streifen werde. Ich habe noch nie einen Mann erlebt, der so viel Geduld mit Frauen beim Shoppen hat wie er. Mehr noch, Steve steht nicht nur brav dabei, er berät mich sogar. Üblicherweise beschränkte sich die modische Beratung meiner Freunde auf so was wie: »Nimm das da, das ist reduziert !« Doch von Steve waren tatsächlich schon Sätze wie: »Die Röschen in der Bluse passen prima zu deinen Schuhen« zu hören. Mein Herz schlägt schneller, wenn ich an ihn denke.
»Was ist, Alice? Wir wollen los !« Die Vorfreude, den Tag im Markenhimmel zu verbringen, lässt Ruth allmählich nervös werden. Gut. Auf geht's. "Wir machen uns kurz zurecht. Zwei Stunden später stehen wir ausgehbereit im Wohnzimmer. Im Look der Mädels von »Sex and the City«. Nur über die Rollenverteilung können wir uns nicht so ganz einigen. Dass Jenny auf Grund ihres Männerverschleißes die Samantha geben muss, steht natürlich als Erstes fest. Aber dann wird es schwierig. Nina ist die einzige Verheiratete von uns, doch Charlotte ist ihr entschieden zu bieder. Ruth kann das Pfannekuchengesicht von Miranda auf den Tod nicht leiden. Ich wäre zwar gerne Carrie, müsste mir die Show dann allerdings mit den anderen beiden teilen, die ebenfalls aufzählen, welche Charaktereigenschaften sie für Sarah Jessica Parkers Rolle prädestinieren. Schließlich einigen wir uns darauf, dass wir auch ohne die Serie nachzuspielen offen über Sex reden können. Nina macht den Anfang: »Markus hat 'nen winzig kleinen!«
»Aha !« , kommentiert Jenny.
Ich denke, damit ist das Thema durch. Wir können los.
Der erste Einkaufsweg des Tages führt uns nicht in eine Edelboutique, sondern zu Walgreens Drug Store, wo Jenny sich für kleines Geld mit einigen Monatspackungen Vitaminen und Spurenelementen eindeckt. Angeblich hat sie in New York ihr Faible für gesundes Leben entdeckt. Auf dem Weg zum Rockefeller Center diskutiert sie mit Ruth darüber, ob in »Easy Vitamine 2000« mehr Vitamine drin sind als in einer Kiwi. Doch zum Thema ausgewogene Ernährung hat Ruth eine Million Artikel aus sämtlichen Frauenzeitschriften gelesen, ausgeschnitten und in Ordnern archiviert. Da macht ihr so schnell niemand was vor. Was banal beginnt, hat die Ausmaße eines Bürgerkriegs erreicht, als wir uns touristenmäßig dem nackten Kitsch der Prometheus Statue hingeben. Ruth doziert über ganzheitliche Ernährung, und Jenny behauptet, mit Fruchtextrakten und etwas Bewegung doppelt so fit zu sein.
»Deine Art von Bewegung kenne ich«, stichelt Ruth, »Ohhh, ahhhh, Becken rauf und runter !«
Allmählich wird Jenny sauer. Die Diskussion erreicht das Niveau von »Immer noch besser, als einen Freund zu haben, in den man Batterien einlegen muss !« . Ich warte eigentlich nur noch darauf, dass sie anfangen, sich gegenseitig an den Haaren zu ziehen.
»Schluss jetzt !« , rufe ich dazwischen. »Dann müssen wir halt testen, wer von euch beiden fitter ist !«
Ninas Vorschlag, zu dem Zweck ein paar Callboys einzuladen, taugt allerdings nicht als objektives
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