Alice@Hollywood
hinteren Bereich etwas findet, was zu meinem Käsebrötchen passt. Die haben Nerven, denke ich. Bei Juwelier Heinze in Köln-Porz wäre ich längst hochkant aus dem Laden geflogen. Dennoch fühle ich mich etwas unbehaglich. Die Angestellten beobachten mich mit Argwohn. Die diversen Überwachungskameras geben laute Summgeräusche von sich, als sie mich heranzoomen. Also verputze ich meine Mahlzeit zügig, ohne auf Messer und Gabel zu warten. Dann trolle ich mich Richtung Ausgang. Die Androiden in Verkäufergestalt atmen erleichtert auf und setzen ihr Tagwerk fort. Ich habe es getan! Ich habe mein Frühstück bei Tiffany's zu mir genommen! Meine Freundinnen werden vor Neid erblassen. Doch das ist noch nicht alles. Meine Finger suchen im Futter der Samttasche und fischen einen kleinen goldenen Anhänger hervor. Ein lachender Delfin, den ich im Rausgehen unbemerkt von einer Auslage genommen habe. Ich bin so cool. Das ist genau die richtige Stimmung, um Steve aufzusuchen. Zum Glück wohnt er nur wenige Blocks entfernt. Im Handumdrehen stehe ich vor dem Fahrstuhl, der zu seinem Apartment führt. Der Knopf zur siebenten Etage lässt sich ausgesprochen schwer drücken und ich lehne mich mit aller Kraft dagegen, bis er schließlich mit einem ploppenden Geräusch im Paneel verschwindet. Der Lift setzt sich in Bewegung. Seine enorme Beschleunigung zwingt mich regelrecht in die Knie. Sekunden später legt er eine Vollbremsung hin. Dong! Ich schlage bäuchlings auf den Boden der Kabine. Als die Schiebetüren sich öffnen, treten zwei Männer in braunen UPS-Overalls und eine Frau in Strapsen mit durchsichtiger Bluse ein. Keiner von ihnen bemerkt mich. Erst als die Lady mir mit ihrem Stöckelschuh auf die Finger tritt und ich laut aufschreie, werden die drei auf mich aufmerksam. Fluchend verlasse ich den Lift.
»German chicks will get their kicks!«
Ich höre hämisches Gelächter, als sich die Fahrstuhltür schließt. Wenigstens stehe ich jetzt direkt vor Steves Wohnungstür. Und ich brauche nicht einmal zu klingeln. Als habe er meine Ankunft telepathisch wahrgenommen, öffnet sich die Tür. Steve schaut mich überglücklich an. Er macht einen Schritt auf mich zu und breitet die Arme zur Begrüßung aus.
»Alice, ich habe dich so vermisst !« , sagt er leise und muss bei jedem Wort ein paar Mal schlucken. Vor Rührung, denke ich, und gebe ihm einen Kuss. Unsere Lippen schmiegen sich aufeinander. Mein Lippenstift scheint offenbar nicht nur Italienern zu gefallen. Zärtlich öffnet Steve seinen Mund, sodass sich meine Zunge auf die Suche nach seiner machen kann. Seine Zungenspitze fühlt sich hart an, härter als sonst, und je mehr ich mit meiner taste, desto mehr beschleicht mich ein ungutes Gefühl. Unvermittelt ziehe ich meine Lippen zurück und sehe, wie aus dem Mund meines Freundes eine Kakerlake krabbelt.
Dann noch eine und noch eine. Steve grinst breit, und die kleinen Insekten sprudeln aus seinem Rachen wie ein Springbrunnen im Central Park. Mir wird übel. Angeekelt taste ich meinen eigenen Gaumen ab und fingere ebenfalls eine strampelnde Kakerlake hervor. Ich beginne mit dem Kopf hin und her zu schlagen und zu spucken, als Jenny das Zimmer betritt.
»Alice, Alice. Was ist denn los, meine Güte !« , weckt sie mich aus meinem Alptraum.
Jenny schließt das Fenster und schaltet die Air Condition an.
»Doch nicht mit offenem Fenster schlafen«, belehrt sie mich mitleidig, »da kommt doch das ganze Ungeziefer rein .«
Mit dem Hinweis auf ein wartendes Frühstück lässt mich meine Freundin allein, und ich brauche noch eine Weile, um zu realisieren, dass ich keine Krabbeltiere im Mund habe. Hoffe ich jedenfalls.
Erschöpft strecke ich mich im Bett aus. Die lange Reise steckt mir in den Gliedern. Na ja, ich gehe eben stark auf die Vierzig zu. Obwohl ich aussehe wie Anfang zwanzig, lässt sich mein Geburtsdatum nicht verleugnen. Anfang zwanzig. Ich muss über mich lachen. Aber wenn mir sonst schon niemand Komplimente macht, abgesehen von meinem Traum-Italiener, muss ich es eben selbst tun. Heute wird ein guter Tag, beschließe ich, und lege meinen Albtraum in die hinterste Schublade meines Unterbewusstseins. Bevor ich sie schließe, fällt mein Blick noch einmal kurz darauf. Hat es etwas zu bedeuten, wenn mein Freund Ungeziefer heraussabbert? Nein. Alles Blödsinn! Die Schublade wird sorgfältig verschlossen, und der Tag kann beginnen.
Strahlend blauer Himmel über Manhattan. Aus dem Schlafzimmerfenster könnte man
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