Alice@Hollywood
Leistungskriterium. Wir beschließen, dass sich die beiden Ladies in einem fairen sportlichen Wettkampf messen sollen: ein Dauerlauf im Central Park. Die Einkaufstour wird kurzerhand auf morgen verschoben. Lediglich einen pinkfarbenen Trainingsanzug von Bloomingdales gönnen wir Ruth noch.
Eine Stunde später stehen wir auf Höhe von Herrn Essens Apartment am Eingang zum Park. Jenny, die hier tatsächlich schon des Öfteren gejoggt ist, sieht mit ihren grauen Sweatpants, dem Kapuzenpulli und dem Nike-Stirnband aus wie eine Mischung aus Jane Fonda und Rocky Balboa. Ruth erinnert eher an eine Barbiepuppe in rosa Bonbonpapier. Die Strecke wird festgelegt: eine einfache Runde, einmal ums Guggenheim Museum und dann auf dem mittleren Weg wieder zurück bis zum Ausgangspunkt. Jenny will Ruth die Strecke noch einmal kurz auf einer Karte zeigen, aber das Bonbon winkt ab. Wer genügend frisches Obst zu sich nehme, der entwickele schon im Unterbewusstsein einen ausgeprägten Orientierungssinn. Nina kratzt mit einem Stein eine Startlinie in den Asphalt. Die Kontrahentinnen gehen in Position. Einige Passanten haben sich bereits amüsiert um uns versammelt. Ich gebe das klassische Startsignal:
»Auf die Pizza ... fertig ... Toast !!!!« , und klatsche in die Hände.
Es hat den Anschein, als habe Ruth einen Frühstart hingelegt. Ich drücke ein Auge zu, wir sollten keine Zeit verlieren. Die beiden Mädels flitzen los. An der ersten Biegung sind sie noch gleich auf, aber schon bald erarbeitet Ruth sich einen kleinen Vorsprung. Die Vitaminpille beginnt bereits zu keuchen, und das Frischobst gibt alles. Dann sind die Läuferinnen hinter einer Kurve verschwunden. Ein Teil der Passanten zerstreut sich wieder. Zwei ältere Damen machen es sich auf einer Parkbank bequem und nehmen Wetten an.
Es vergeht fast eine halbe Stunde, doch es ist noch keins der Mädels in Sicht.
»Die verarschen uns«, überlegt Nina laut, »die sitzen irgendwo, schlürfen Cappuccino und lachen sich ins Fäustchen !«
Ich habe die Befürchtung, sie könnte mit ihrem Verdacht richtig liegen, und überlege, ob wir hier bis zum Sankt Nimmerleinstag warten müssen. Doch da keucht Jenny hinter ein paar Büschen hervor. Am Ende ihre Kräfte stolpert sie ins Ziel.
»Gratuliere«, sage ich, »du hast gewonnen. Wo hast du Ruth abgehängt ?«
Jenny schaut sich verwirrt um.
»Ich habe Ruth nicht abgehängt. Im Gegenteil. Die Düse ist mir weggelaufen .«
Seitdem sie den Anbau des Guggenheim passiert hat, ward Ruth nicht mehr gesehen. Prima. Nach nicht einmal vierundzwanzig Stunden Amerika haben wir schon den ersten Verlust zu beklagen. Zunächst beruhigen wir uns noch gegenseitig. Wer so viel frisches Obst isst, der kann sich im Grunde nicht verlaufen. Aber nach einer weiteren halben Stunde werde ich tatsächlich langsam nervös. Die alten Damen haben den Zuschauern längst die Siegprämien ausbezahlt. Die Schaulustigen haben sich getrollt.
»Vielleicht sollten wir die Polizei alarmieren ?« , schlägt Nina vor.
Jenny schüttelt den Kopf. Die haben hier andere Sorgen, als am hellen Tag eine rosa Bonbon im Central Park zu suchen. Also machen wir uns selbst auf den Weg. Vorsichtshalber bleiben wir zusammen. Zunächst marschieren wir die Laufstrecke ab. Unsere »Ruth, Ruth«-Rufe animieren einen dicken Jogger mit New York Jets-Shirt, seinen Lauf zu unterbrechen. Er will uns freundlicherweise bei der Suche helfen. Aber als sich rausstellt, dass Ruth ein Mensch und kein Chiwawa ist, bricht er die Suche ab.
Ohne Erfolg kommen wir gegen Mittag erneut an der Start-/Ziellinie an. Ruth bleibt verschollen. Also beschließen wir, uns nun doch aufzuteilen. Dergestalt, dass Jenny zurück ins Apartment geht und zunächst von oben mit Herrn Essens Teleskop den Park absucht. Wenn sie damit keinen Erfolg hat, wird sie schließlich doch die Sheriffs rufen. Nina und ich warten unten am Parkeingang, falls Ruth wider Erwarten doch hier auftauchen sollte.
»Vielen Dank. That was so much fun!«
Nina und ich drehen uns entgeistert um. Hinter uns steht eine Pferdekutsche, aus der eine fidele Ruth aussteigt.
»Sag mal, haste noch alle Latten am Zaun ?« , poltert Nina los.
»Wir machen uns die größten Sorgen, und Mylady lässt sich durch die Gegend kutschieren !« , ergänze ich.
Davon will Ruth nichts wissen. Die Tour durch den Park habe ihr viel zu sehr gefallen, als dass sie sich jetzt von uns die Stimmung vermiesen lasse.
»Kurz hinter dem Museum bin ich falsch
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