Alice@Hollywood
Aufmunterung. Einen Filmvorführer hätte sie noch nie gehabt. Es könne also sein, dass wir später allein zurückgehen müssten. Ich grinse. Das werden wir schon schaffen. Wir haben ja schließlich auch gestern schon problemlos den Weg zu ihrem Apartment gefunden. Jenny drückt mir den Zweitschlüssel für die Wohnung in die Hand und steuert zielstrebig auf den Vorführraum zu.
»Entschuldigung, ich dachte das sei die Toilette !« , ist das Letzte, was ich von ihr höre, bevor ich mich wieder in den Saal begebe. Als ich zurückkomme, hat J-Lo sich entschieden, jeglichen Kontakt zu der männlichen Hauptrolle abzubrechen.
»Wie heißt der Schauspieler nochmal ?«
»Keine Ahnung. Jedenfalls hat er irgendwo mal diesen Nazi gespielt«, weiß Ruth und wendet sich an Nina: »Dein Typ ?«
»Einen Nazi habe ich zu Hause !« , stöhnt Nina.
Ich gebe ihr den Rat, für die Zeit unseres Urlaubs mal nicht an ihren Göttergatten Markus zu denken. Zwar haben sich die beiden nach Ninas Affäre neulich wieder zusammengerauft, aber wirklich entspannt ist das Verhältnis noch immer nicht. Nina hatte es sich inzwischen zur Aufgabe gemacht, ihren missratenen Sohn Thorben-Hendrik vor dem schlechten Einfluss seines Vaters zu schützen. Der Ehrgeiz, ihren Spross nicht auch zu einem Macho werden zu lassen, gibt Nina die Kraft, weiter mit Markus zusammenzubleiben. Ach ja, und darüber hinaus verdient der Kerl mehr als 120000 Euro im Jahr. In jedem Fall will Nina den Urlaub nutzen, um mit Abstand zu Markus ein paar klare Gedanken zu fassen.
»Schärfer! Schärfer !« , brüllt Ruth plötzlich in den Saal, wie ein Bananenhändler vom Fischmarkt.
Tatsächlich, das Bild stellt sich leicht verschwommen dar. Ich schaue mich um, kann aber durch die kleine Luke zum Vorführraum nicht erkennen, ob Junior-Swayze etwas von Ruths Aufschrei mitbekommen hat. In dem Moment ist über den Lautsprecher ein leichtes Knattern zu vernehmen, dann hüpfen die Bilder auf der Leinwand auf und ab, und schließlich gibt es einen Filmriss. Der Saal liegt im Dunkeln. Nur der schwache Lichtschein, der durch die Luke zum Vorführraum dringt, lässt ein paar Konturen erkennen. Ich ahne Schlimmes und zwänge mich durch die Reihen zum Ausgang. Inzwischen sind die drei anderen Besucher - eine Frau um die zwanzig in Begleitung von zwei etwas älteren Männern - ebenfalls aufgestanden und begeben sich zur Luke. Für das Bild, das sich ihnen dort bietet, wären sie sicher glatt bereit gewesen, den doppelten Eintritt zu zahlen. Jenny liegt auf einem Tisch neben dem Projektor, inmitten eines Berges zerknüllter Filmplakate. Der Fotosatz von »Free Willy« dient ihr dabei als Kopfkissen. Jennys in die Luft gestreckte Beine jubeln der Hauptvorstellung entgegen. Mr. Allrounder hängt mit heruntergelassener Hose über ihr und gibt alles, was er in Filmen wie »Hier kommen die Rammler« oder »Junge Stuten hart geritten« gelernt hat. Jenny gerät in Ekstase. Ihre Hände greifen nach allem, was ihr Halt geben kann. Und das sind die verbleibenden dreißig Minuten Film von »Manhattan Love Story«. Das Zelluloid wickelt die beiden Superstars ein, Jenny verschwindet in den Tiefen der Traumfabrik. Schließlich gibt es Szenenapplaus, als der Vorführer zum Höhepunkt des letzen Aktes kommt.
Peinlich berührt verlassen Ruth und Nina den Saal. Sie wollen nicht in den Verdacht geraten, mit der weiblichen Hauptrolle des Hinterzimmers befreundet zu sein. Ich setzte die beiden in ein Taxi zurück zum Apartment. Dann warte ich am Ausgang auf Jenny, die eine halbe Stunde später in Begleitung des Vorführers herauskommt. Der Vorfall war von der Kassiererin sofort telefonisch an die Geschäftsleitung weitergegeben worden, und Jennys Hengst hat auf der Stelle die Kündigung erhalten. Was ihn aber nicht sonderlich zu beeindrucken scheint.
»Willy und ich überlegen, ein eigenes Kino aufzumachen !« , verkündet Jenny stolz.
Sie bedankt sich bei mir, dass ich gewartet habe, bittet mich aber, nicht böse zu sein, da sie jetzt mit Willy nach Hause wolle, um schon mal ein paar Einzelheiten für ihr gemeinsames Projekt zu besprechen. In jedem Fall würde es aber ein Kino werden, in dem Filmkunst gezeigt wird. Kein Kommerz-Schrott. Darüber wären sie sich schon mal einig.
Jenny und Free Willy dampfen ab. Ich bleibe mal wieder allein zurück. Vielleicht sollte ich jetzt spontan noch einmal bei Steve vorbeigehen, denke ich. Ruth und Nina kommen auch ohne mich zurecht. Der Kühlschrank im
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