Alice@Hollywood
Skyline.
»Guck mal, der Al-Bundy-Brunnen !« , entfährt es Nina, wobei sie unwillkürlich mit dem Lenkrad die Drehung ihres Kopfes unterstreicht und dabei von der Spur abkommt. Ein Dutzend freundliche Taxifahrer machen sie mittels Hupens auf ihren Fehler aufmerksam. Sie korrigiert souverän. »Ich wusste gar nicht, dass AI Bundy in Chicago lebt«, geht sie über den Schlenker hinweg, »dann finden wir womöglich auch noch den Schuhladen !«
»Bestimmt. Wir müssen nur ein paar Tausend Kilometer weiter Richtung Hollywood fahren und im richtigen Filmstudio nachsehen !«
Nina wirft mir einen beleidigten Schulterblick zu. Natürlich ist sie nicht so dämlich zu glauben, AI Bundy wohne und arbeite tatsächlich hier. Aber sie mag die Illusion, alle Film und Fernsehfiguren wären echte Menschen, so gern, dass man sie nicht unnötig auf das Gegenteil aufmerksam machen muss.
»AI Bundy ist personifizierter Machismo. Ein grenzdebiler, sabbernder Loser, der seine Minderwertigkeit durch Frauenfeindlichkeit kompensiert«, doziert Ruth.
»Aber er ist lustig !« , gibt Nina zurück. Damit ist die Diskussion über Feminismusfragen für sie beendet. Ich schätze, Nina ist Fan der »schrecklich netten Familie«, weil sie in AI Bundy die Karikatur ihres Ehemannes .erkennt, über den sie in den eigenen Mahagonimöbeln nur allzu selten lachen kann. Ich selbst kann mit Peg, AI und seiner »Dumpfbacke« auch relativ wenig anfangen. Zu plump, da stehe ich schon eher auf Bill Cosby oder »Wer ist hier der Boss ?« . Etwas altbacken, aber immerhin mit einer moralischen Botschaft. Zugegeben, manchmal beschränkt sich das auf einfache Formeln wie »Du sollst nicht lügen« oder »Du sollst deine große Schwester nicht heimlich beim Duschen fotografieren, selbst wenn du für die Bilder von deinen Klassenkameraden eine Menge Geld bekommst«. Obwohl, bei AI Bundy wäre letztere Botschaft sicher ähnlich, wenn auch mit dem Zusatz: »Du solltest dich wenigstens nicht dabei erwischen lassen !« Ist letztlich auch okay. Im Grunde ist es mir nur wichtig, dass ich lachen kann. Wenn ich mir überlege, was teilweise für ein Schrott in Deutschland läuft, kann ich mich beim Fußnägelschneiden oft besser amüsieren als vor der Glotze. Nina ist da anders. Sie ist ein TV-Junkie. Es gibt kaum eine Serie, die sie nicht kennt. Und was viel schlimmer ist: Es gibt kaum eine Serie, die ihr nicht gefällt. Sie kann sich über fast alles amüsieren. Nina gehört zu der Sorte Menschen, die schon losgackern müssen, wenn lediglich das Wort »Uschi« gesagt wird. Und wenn sich dann noch irgendetwas drauf reimt, kann sie einen Lachkrampf nur mühsam unterdrücken. Schwer zu glauben, aber jede noch so kleine sexuelle Anspielung ist für Nina ein Schlüsselreiz. Ich kann es beweisen. Ich schaue aus dem Autofenster und sehe in einiger Entfernung einen kleinen Turm mit knubbeliger Spitze. Den historischen Water Tower am Ende der Michigan Avenue, wie ich dem Reiseführer entnehme.
»Boah, das sieht ja aus wie ein Pimmel !« , sage ich.
Sofort gluckst Nina los und hat Sekunden später Lachtränen in den Augen. Es ist so einfach. Manchmal schäme ich mich dafür, dass ich ihre Schwäche zu meinem eigenen Vergnügen ausnutze. Aber oft kann ich der Versuchung auch nicht widerstehen. Jetzt allerdings habe ich erst mal Hunger. Ruth geht es anscheinend genauso.
»Wie sieht's aus, Mädels, wollen wir uns nicht bald mal was reinschieben ?« , fragt sie unschuldig.
Nina lässt ihren Assoziationen erneut freien lauf. Reinschieben! Das ist echt zu viel für die Arme. Kichernd und giggelnd fährt sie in die nächstbeste Parklücke, um am ganzen Körper zitternd abzulachen. Allmählich bin ich mir nicht mehr so sicher, ob es tatsächlich nur an den sexuellen Reizworten liegt oder Nina heimlich feingemörserte Kichererbsen inhaliert. Vielleicht ist sie im Moment aber einfach nur unterzuckert und muss ebenfalls dringend etwas essen. Als sich die Stimmung im Wagen etwas beruhigt hat, orientieren wir uns. Wir parken unmittelbar vor einem Hard Rock Cafe.
Nach dem dritten Vanilla-Milkshake kriegt sich Nina wieder ein, was meine Vermutung über den Glukosehaushalt ihres Körpers unterstreicht. Ich sehe mich um. An den Wänden im Hard Rock Cafe hängen überall Autogramme von Rockmusikern, eine Gitarre von Eric Clapton und eine rosa Korsage von Madonna. Fehlen eigentlich nur noch die Höschen der kreischenden Fans, die sie in Anfällen von Hysterie bei Konzerten auf die Bühne
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