Alice@Hollywood
dicke, mit dem Doppelkinn? Alice, sag mal, schämst du dich nicht ?«
Ich gerate zwischen die Fronten. Das scheint die Strafe für mein loses Mundwerk zu sein. Oder die Strafe für den Abend in der Redaktion, als wir Katjas Geburtstag gefeiert haben. Und ich ein Gläschen Wein zu meinen Grippetabletten genommen hatte. Wie komme ich da wieder raus?
»Das musst du gerade sagen !« , ranze ich Ruth an. »Wer lässt sich denn in seiner Phantasie ans Bett fesseln, die Augen verbinden und dann so richtig rannehmen, ohne zu wissen, wer der heiße Lover überhaupt ist? !«
Ruth ringt nach Luft.
»Das ist deine Phantasie? Ist ja pervers .« Nina schüttelt den Kopf. »Da bin ich ja mit Robbie Williams wirklich noch harmlos !«
»Na und? !« , poltert Ruth zurück, »aber dafür hast du auf dem Parkplatz von Ikea ein Auto gerammt und Fahrerflucht begangen. So was finde ich pervers !«
»Ich blöde Kuh. Ich hätte gleich wissen sollen, dass man dir nix erzählen kann !« Beleidigt dreht sich Nina wieder beiseite.
Ruth zittert am ganzen Körper und verschwindet erst mal in Richtung Toilette. Und ich hätte jetzt echt gern einen Drink. Ich entscheide mich für einen »Sex on the beach«, der irgendwie zu den Outings der vergangenen Viertelstunde passt.
Ein paar Minuten später sitzen wir alle wieder schweigend im Auto. Ruth fährt. Ich darf nicht, ich habe ja Alkohol getrunken, und Nina will nicht. Sie ist bockig, schließlich sei sie eine Fahrerflüchtige. Wir sehen ziemlich bescheuert aus mit unseren Schmollgesichtern und unseren Uniformen. Trotz aller Streiterei haben wir uns nämlich nicht entblödet, alle ein »Hard Rock Cafe Chicago«-T-Shirt zu kaufen. Ich habe mir immer geschworen, dass ich so ein Ding nie anziehen würde. Aber der Aufdruck »Chicago« hat schon was. Allemal besser als das Shirt aus dem Cafe in Köln. Und falls ich mal nach Malaysia kommen sollte, wird nach dem Urlaub garantiert ein »Hard Rock Cafe Kuala Lumpur«-Shirt meinen makellosen Körper verschönern.
Nachdem wir eine halbe Stunde ziellos durch die Gegend gerollt sind, breche ich das Schweigen.
»Wo wollen wir eigentlich hin ?«
Keine Antwort. Ruth biegt wahllos in die nächste Straße ein. Wir tuckern gemächlich unter einer Hochbahnlinie hindurch. Eisige Stimmung.
»Halt, stopp! Fahr mal rechts ran hier! Stooopppp !« , brülle ich unsere Chauffeuse von hinten an.
Ruth tritt in die Eisen und kommt schliddernd in einer Parklücke zum Stehen.
»Bist du noch ganz bei Trost? Was willst du denn hier ?«
Ich deute auf ein großes Schild neben einem Hauseingang: »J. Broncowicz M. D., Psychiatrist - Group Therapy«
«Vielleicht sollten wir da mal reinschauen, bevor wir uns hier weiter auf die Nerven gehen .«
Ich blicke in verständnislose Gesichter.
»Was ist? Habt ihr immer noch nicht genug? Also schön: Ich leide unter Inkontinenz, Nina unter Flatulenz und Ruth unter Demenz. Damit sind alle Geheimnisse raus. Und jetzt können wir uns wieder vertragen !«
»Du siehst scheiße aus in dem blöden Shirt !« , gibt Ruth zurück.
Nina und ich erwidern reihum das Kompliment. Unsere Stimmung normalisiert sich. Wir streiten uns darüber, welches Hotel in welcher Preisklasse wir nehmen sollen. Ruth wirft Nina vor, nicht mit Geld umgehen zu können, und ich finde, dass grüner Tee gelbe Zähne macht. Das fällt mir gerade so ein, und ich denke, ich sollte meine Erfahrung mit meinen Freundinnen teilen. Mitleidig werde ich belächelt. Schließlich entscheidet Ruth, dass wir aus finanziellen Gründen im YMCA nach einem Zimmer fragen sollten. Nina weiß, dass es da nur Schlafsäle gibt und keine Frauen reindürfen, aber Ruths Englisch sei ja nicht gut genug, um das M in der Abkürzung mit »Man« zu übersetzen. Die Sticheleien pendeln sich langsam auf dem gewohnten Level ein. Wahrscheinlich gehört so ein Zoff einfach dazu, wenn man mit Freunden in den Urlaub fährt. Aber es gehört eben auch dazu, sich wieder zusammenzuraufen und sich seine Fehler zu verzeihen. Vor dem Eingang des YMCA stoppe ich meine beiden Begleiterinnen durch sanftes Ziehen an ihrer Garderobe.
»Ich hab euch lieb !«
Wir nehmen uns wortlos in die Arme. Ein kurzer Moment der Harmonie. Dann steuert Ruth ins Gebäude.
»Mal sehen, ob das M für »Männer« oder für »Mädchen« steht !«
An der Rezeption wird Nina belehrt: Heutzutage gibt es hier auch Einzelzimmer, teilweise sogar mit eigenem Bad, und Frauen sind durchaus willkommen.
Unsere »Suite« wird dem Preis
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