Alice@Hollywood
unseren Verdacht beiseite, das läge an ihrem Gespräch mit Markus. Sie behauptete, ihre Tage und ihren Eisprung gleichzeitig bekommen zu haben. Gerade zurück aus Ruths Gefühlswelt, erschien mir das sogar plausibel.
Ruths Blick wanderte über die Lockangebote im Schaufenster des Reisebüros. Bevor mein Plan, die beiden nach New York zu lotsen, von einem fernöstlichen Traumstrand wieder zunichte gemacht würde, schob ich die beiden durch die Tür. Im Gegensatz zum Schuhe kaufen liebe ich es, ein Reisebüro mit konkreten Vorstellungen zu betreten. Man setzt sich, sagt: »Dreimal New York, aber zackig«, und steht fünf Minuten später mit den Glück verheißenden Tickets wieder auf der Straße. Im Gegensatz zu mir lieben es alle anderen, sich stundenlang über einen Flug von Mönchengladbach nach Paderborn beraten zu lassen. Martin, Inhaber und einziger Berater des Reisebüros, bearbeitete gerade eine Mutter-Tochter-Kombination. Die beiden waren dabei, den Begriff der Unentschlossenheit um ein, zwei Dimensionen zu erweitern. Sie hatten sich soeben dazu durchgerungen, dass ihr Reiseziel auf einem der fünf zur Verfügung stehenden Kontinente liegen sollte. Ich wurde nervös. Ruths Augen begannen, feucht zu werden. Denn auch das Innere des Ladens war mit Postern bepflastert, die aufdringlich die Meinung vertraten, man solle auf jeden Fall Trinidad, Thailand oder Tahiti besuchen. Nach einer Stunde gelang es Martin, Mutter und Tochter in den Wartebereich abzudrängen. Dort sollten sie in aller Ruhe klären, ob die Adriainsel Krk eine echte Alternative zu Vancouver darstellt. Mit dieser unerheblichen Verzögerung pflanzten wir uns vor ihm hin. Ich legte meine Kreditkarte auf den Tisch und sagte: »Dreimal...«
»Jamaika«, fiel er mir ins Wort.
Das war typisch Martin. Er hatte die günstigsten Angebote der Stadt, seine Anzüglichkeiten gab's gratis dazu. Natürlich nahm er an, dass drei Mädels nur Urlaub machen, um sich von knackigen Rastas durchkneten zu lassen.
»Jamaika ist 'ne gute Idee«, zwitscherte Ruth. Die Poster hatten ihr schon den Kopf verdreht. Martin präsentierte das süffisante Lächeln des Frauenkenners. Darin schwang wohl auch die Vorstellung mit, er könne uns auf dieser Reise mit einer Videokamera begleiten.
»New York«, entgegnete ich trocken. »Dreimal New York.«
Das ernüchterte ihn nur kurz. Er sah Ruth und Nina an. »Okay. Und ihr zwei Hübschen?«
Die zwei Hübschen reagierten nicht so schnell wie ich. »Sie haben vor, in den nächsten vier Wochen deine Unterhosenkollektion zu durchforsten. Ich flieg in der Zwischenzeit dreimal hin und her .«
Martin hob abwehrend die Hände: »War nur ein Witz .«
Die Witze kannte ich. Als ich das erste Mal bei ihm gebucht hatte, behauptete er, zur selben Zeit am selben Ort Urlaub machen zu wollen. Er hatte mir tatsächlich das Angebot gemacht, ein »Doppelpaket zu schnüren«. Eines, in dem auch ein »Doppelbett« enthalten war. Trotzdem kam ich immer wieder her. Ich mochte es, dass Martin meine Urlaubsträume wahr werden ließ. Er konnte so herrlich enttäuscht gucken bei der Feststellung, dass er selbst darin nicht vorkam. Wir kriegten dreimal New York und er blieb zu Hause.
Wir wollten beides eigentlich im Cafe Dezentral feiern, aber Nina musste mit Markus »noch was klären«. Eine niedliche Umschreibung für Ehekrieg.
Ich beschloss, Ruth endgültig die Palmen auszutreiben, und schleppte sie abends zu einem Diavortrag. Diese Art Veranstaltung, in der ein Weltreisender mit großformatigen Neid-Bildern darauf aufmerksam macht, dass er ein viel aufregenderes Leben führt, als wir es uns in unserer wurmartigen Existenz je vorstellen können. Eigentlich nicht mein Ding. Ich hielt es nur für ratsam, Ruths Horizont in Bezug auf Amerika etwas zu erweitern. Sie zeigte sich nicht gerade begeistert. Abgesehen von ihrer generellen Abneigung gegen die »Indianerschlächter« hegte sie kein besonderes Interesse, sich, wie sie sagte, »von einem Whiskey-seligen Hillybilly-Typen einen kulturell eher bedenklichen Landstrich hochjubeln zu lassen«.
Ich machte ihr den Vorschlag, sich die Ohren mit etwas Schalldämmendem zu stopfen. Es käme ja nur auf die Bilder an. Sie ignorierte es und ließ sich mit einer Miene auf ihren Stuhl nieder, der mich fürchten ließ, daß sie beim geringsten verbalen Ausrutscher des »Hillybilly-Typen« eine politische Grundsatzdiskussion anzetteln würde,
»Die USA sind ein Reiseland, das mehr zu bieten hat als das Klischee,
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