Alice at Wonderland
bringen.
Kurz darauf kreuzt der reumütige Hauptdarsteller auf, und wir beginnen mit der ersten Unterrichtsstunde. Mar kus soll die Frauen in dem Geschäft eine Weile beobach ten und mir sagen, was er glaubt, dass sie denken. Eine hübsche Rothaarige geht an uns vorbei und testet in un mittelbarer Nähe ein paar Eau de Toilettes von Jil Sander.
Markus beobachtet sie. Aus seinem Blick wird mir
schnell klar, dass sich Markus weniger für ihre Gedanken interessiert als vielmehr für das Hinterteil der Rothaarigen, welches sich fein konturiert unter ihrem Mini abzeichnet. Meine Ermahnungen fruchten, und er gibt sich Mühe.
»Ich nehme an, sie denkt ... dies hier riecht gut. Das wird meinem Freund gefallen«, prognostiziert Markus und scheint selbst mit seiner Antwort zufrieden. Ich be zweifle, dass es sich dabei tatsächlich um die Gedanken der jungen Frau handelt und stelle sie zur Rede.
»Warum glotzt dieser Idiot mir die ganze Zeit auf den Arsch. Das habe ich gedacht!«, erwidert sie und straft Markus mit einem verachtenden Blick. Markus will ihr erklären, dass sie sich ja auch nicht so aufreizend kleiden muss, wenn sie nicht will, dass man sie anschaut, doch die Rothaarige lässt uns stehen. Mir wird immer klarer, dass Ninas Göttergatte eine echt harte Nuss ist.
Auch bei den nächsten drei Frauen geht Markus' In terpretation maximal in die Richtung »der Duft passt gut zu mir« oder »96 Euro für so ein kleines Fläschchen ... was soll's, mein Mann zahlt ja«. Auf die Idee »Wenn mein Freund mir schon nichts Tolles schenkt, dann muss ich mir halt selbst was gönnen« kommt Markus nicht.
Ich betrachte diesen Versuch als gescheitert und be schließe, etwas härter vorzugehen. In der Psychologie nennt man das Konfrontationstherapie.
Ich schnappe mir Markus, zerre ihn bei Douglas raus und geradewegs in den gegenüberliegenden Frauenbuch laden. Zugegeben, ich habe selbst meine Schwierigkeiten damit, dass sich meine »Schwestern« derart abgrenzen müssen und damit mehr Intoleranz als Offenheit demons trieren, aber in diesem Fall heiligt der Zweck die Mittel. Kurz gelingt es Markus, sich am Türrahmen festzukrallen und sich gegen mich zu stemmen wie ein Gewaltverbre cher bei seiner Verhaftung. Dann aber kracht die Türleiste und wir landen im Laden. Wir sammeln uns, und ich gebe der Maus in der Höhle des Löwen kurz meine
Instruktionen. Während ich mich im Hintergrund halte, hat Markus die Aufgabe, ein Frauenbuch zu kaufen. Aber nicht irgendeins. Er soll sich von der Verkäuferin in der lila Latzhose beraten lassen, denn er ist auf der Suche nach einem ganz bestimmten Titel...
»Ich suche ein Buch über die Wechseljahre. Ich möchte meine Frau besser verstehen, wenn sie mit dieser schwie rigen Zeit in ihrem Leben umgehen muss!«, sagt Markus zu der Frau am Regal mit Esoterikbüchern.
Ich habe das Gefühl, er muss sich jeden Augenblick übergeben. Wahrscheinlich hätte er sich nie im Leben träumen lassen, dass ein solcher Satz mal über seine Lip pen kommt. Ich schätze, Markus wird sich heute Abend eine halbe Stunde lang den Mund mit Seife auswaschen. Hilfe suchend blickt er zu mir. Ich gebe ihm thumbs up zur Ermutigung und verschwinde dann sofort wieder hin ter einem Turm der dritten Auflage von »Mondscheinge dichte«.
Markus scheint sich ganz gut zu machen. Die lila Latzhose hat ihm mehrere Bücher gezeigt und ist recht angetan von dem Umstand, dass sich ein Mann so sehr für die Probleme seiner Frau interessiert. Ich pirsche mich etwas näher heran, um vielleicht den einen oder anderen Wort fetzen aufzuschnappen.
»Auch für Sie wird sich einiges ändern, wenn Ihre Frau in dieser speziellen Zeit ist«, sagt die Verkäuferin mitfüh lend.
»Das will ich hoffen«, entgegnet Markus, und ich merke in dieser Sekunde, dass er in seine alten Verhaltensmuster zurückfällt. »Dann können wir endlich wieder ohne Gum mi vögeln!« Patsch. Das sitzt. Genauso wie die Ohrfeige, die Markus reflexartig von der Angestellten einstecken muss. Für eine Sekunde hoffe ich, dass es damit gut ist, aber Markus ist gekränkt. Er holt aus und will zurückschlagen. Ich muss handeln. Ich lehne mich mit aller Macht gegen den Turm Mondscheingedichte, der krachend zwischen
den beiden Streithähnen zusammenbricht. Die Schreck sekunde nutze ich, um Markus mit einem Hechtsprung umzureißen und ihn an seiner Dagobert-Duck-Krawatte hinter mir her aus dem Frauenbuchladen zu schleifen.
Auch die zweite Lektion scheint mein Schüler
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