Alice at Wonderland
nicht wirklich begriffen zu haben. Und allmählich werde ich sauer.
»Vergiss es!«, herrsche ich Markus an. »Du kapierst überhaupt nichts!«
Er will sich rausreden. Sie habe ihn provoziert, allein schon die Art und Weise, wie sie sich gekleidet habe, sei eine Beleidigung für seine Augen. Aber was könne er schon von jemandem erwarten, der grünen Tee trinkt und mit Jute statt Plastik verhütet.
Ich habe genug gehört. Ich mache auf dem Absatz kehrt und lasse Markus stehen. Ein hoffnungsloser Fall. Bekom me ich eben keinen Nobelpreis, was soll's.
Als ich eine Stunde später auf meinen Hauseingang zu gehe, hält ein schwarzer Cayenne mit getönten Scheiben neben mir. Markus hat sich nochmal alles durch den Kopf gehen lassen und findet, ich hätte Recht. Und es fällt ihm sichtlich schwer, das zuzugeben. Nina bedeute ihm ehr lich sehr viel, und Markus verspricht mir, sich wirklich richtig Mühe zu geben, wenn ich ihn weiter unterstütze. Ich stelle mich demonstrativ stur, und erst als ich ein Paar neue Schuhe bei ihm raushandeln kann, willige ich ein.
Diesmal muss der reumütige Ehemann die härteste al ler Prüfungen bestehen. Ein Martyrium für alle Männer. Der Marsch durch den Hades ist ein Spaziergang dagegen. Wenn Markus »Indiana Jones« durch diesen Tempel des Todes gegangen ist, wird er ein für alle Mal geläutert sein.
»Okay. Wir fahren wohin, wo nur die Tapfersten über leben!«, sage ich und gehe auf die Fahrerseite seines neuen Geländewagens zu.
»Oh nein!«, poltert Markus los, während er sich zwi schen mich und die Wagentür schiebt. »Ausgeschlossen! Das gute Stück hat knapp 120000 Euro gekostet. Eine Frau kommt mir da nicht ans Steuer!«
Ich sehe Markus vorwurfsvoll an und gebe ihm zu ver stehen, dass er die Abschlussprüfung niemals bestehen wird, wenn er nicht konsequent übt. Und dies sei ein Test, Teil des Lehrplanes. Ich sehe, dass es in ihm arbeitet und er sich vorstellt, wie ich seine rollende Eigentumswohnung locker gegen einen Gurkenlaster setze. In der Sekunde, als ich befürchte, dass er mir gegen das Schienbein treten will, fängt sich Markus und reicht mir den Autoschlüssel.
Bis zum Ende des Wohngebietes fahre ich noch relativ sicher, doch als ich dann auf die vierspurige Stadtautobahn einbiege, verursacht mir der Gedanke, ein Auto zu steuern, dessen Wert dem Bruttosozialprodukt Simbabwes entspricht, Magenschmerzen. Ich lasse mir nichts anmer ken, visiere souverän die nächste Ausfahrt an und lenke das Geschoss auf einen Lidl-Parkplatz.
»Wow!«, sagt Markus ernüchtert, »bei Lidl einkaufen gehen ist echt eine harte Prüfung!«
Doch ich kann ihn beruhigen. Ich finde zwar, er hätte wirklich mal eine Lektion verdient, aber so gemein sei ich nun auch wieder nicht. Wir lassen den Cayenne zurück, und Markus fängt an zu heulen bei dem Gedanken, eine übergewichtige Mutter mit drei kleinen Kindern könnte mit ihrem Einkaufswagen seinen Ersatz-Phallus rammen. Ich überzeuge ihn schließlich davon, dass es wichtig ist, unseren Weg mit öffentlichen Verkehrsmitteln fortzuset zen. Verschweige natürlich geflissentlich, dass ich einfach Schiss habe, den Wagen zur Rushhour durch die Innenstadt zu manövrieren.
Als wir die Straßenbahn Richtung Universität be steigen, wird mein Schüler allmählich neugierig, wo die Fahrt denn hingehen mag. Aber ich halte mich bedeckt. Stattdessen beobachten wir die Fahrgäste, und ich stelle Markus die Aufgabe, sich einzureden, dass alle Frauen
hier im Abteil richtig tolle und liebenswerte Frauen sind. Egal ob fettleibig, jenseits der fünfzig oder mit Damen bart. Anfangs scheint das sogar zu funktionieren, schließ lich kapriziert sich Ninas Gatte aber auf eine junge Frau mit halb durchsichtigem Chiffon-Top. Bei ihr falle es ihm besonders leicht, sich einzureden, dass sie echt toll ist.
An der Uniklinik steigen wir aus. Ich lasse Markus kurz vor dem Eingangsbereich warten, an der Stelle, wo norma lerweise die Hunde angebunden werden. Reine Psychologie. Dann verschwinde ich schnell im Inneren, um mir ein paar wichtige Informationen beim Pförtner abzuholen.
Eine Minute später hake ich Markus unter und bugsiere ihn in einen Seitentrakt der Klinik. Noch hat der Arme nicht die leiseste Ahnung, was ihn erwartet. Eine gut gelaunte, stramme Vierzigjährige in Schwestern-Outfit kommt auf uns zu.
»Zur Geburtsvorbereitung?«, fragt sie, und noch ehe Markus einlenken kann, bejahe ich die Frage mit nachdrücklichem Kopfnicken
»Richtig!«, sage
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