Alice at Wonderland
geblieben. Von Alex ist keine Nachricht gekommen, und ich schicke ihm nur ein paar Worte, die diese Enttäuschung ausdrücken.
Vielleicht ist es im Leben immer so: Wenn man zu viel erwartet, bekommt man zu wenig. Wenn man nichts erwartet, bekommt man eine Papierrose. Und das ist doch schon mal ein Anfang.
TAGE WIE DIESER
Janina ist etwas jünger als ich, extrem modisch gekleidet, blondiert und mit einem umwerfenden Lächeln ausgestat tet. Sie wurde vom Haupthaus in unsere Abteilung versetzt. Angeblich, um uns zu unterstützen und die Effek tivität unserer Arbeit zu steigern. Eigentlich aber, um uns auf die Finger zu schauen und dem Chef zu stecken, wenn jemand mal etwas zu spät kommt. Das zumindest ist mein Eindruck, als ich aus dem Aufzug steige und, fünf Minuten später als sonst, zu meinem Computerplatz gehe.
»Na, Alice. Ziemlich viel Verkehr, was?«, grinst mich Janina breit an.
»Ja«, entgegne ich, »und die Straßen waren auch viel zu voll...!«
Sie lächelt, obwohl sie den Witz nicht verstanden hat, und geht direkt ins Büro von meinem Chef. Ich sehe die beiden hinter der Glasscheibe tuscheln und in meine Rich tung schauen. Mein Verdacht scheint bestätigt.
Aber eigentlich habe ich jetzt keine Lust, mich darüber aufzuregen. Schließlich muss ich noch die Ankündigung für eine neue Gameshow schreiben, die heute noch auf unsere Internet-Homepage soll. Darüber hinaus habe ich in der letzten Zeit auch einige Überstunden gemacht und an einem neuen Look für unsere Gästebuch-Forumseite gebastelt. Damit werde ich sowieso punkten, denke ich mir, während meine Gedanken wieder zu Alex wandern.
Fast automatisch öffne ich die Ordner mit den Ent würfen und wische den Kaffee von meinem Tisch, den Katja im Vorbeigehen verkleckert hat. Ich ertappe mich dabei, wie meine Enttäuschung über das geplatzte Blind date vom Samstag mit Alex allmählich in so etwas wie Wut umschlägt. Den ganzen Sonntag habe ich noch wa cker gegen meine Enttäuschung angekämpft und mich mit vier großen Stücken Schwarzwälder Kirschtorte ruhig gestellt. Aber ich habe auch gestern und vorgestern nichts von ihm gehört. Und allmählich werde ich sauer. Dieser Möchtegern-Mailpoet hätte sich wirklich melden können. Wehe, er hatte keinen triftigen Grund, mich zu versetzen. Dann ist der Typ für mich ein für alle Mal ge storben.
»Die Ankündigung für die Gameshow schon fertig?« Mein Chef steht hinter mir und legt mir seine Hand auf die Schulter.
Ich fahre herum und sehe Janina breit lächelnd neben ihm stehen. Ich will gerade etwas wie »bin schon dabei« stammeln, da schnappt sich die Kleine einen Stuhl und setzt sich neben mich.
»Janina wird Sie ein bisschen unterstützen. Dann geht's schneller, und es kommt ein wenig frischer Wind in die Formulierungen!«, sagt er und schaut dabei ziemlich verliebt auf die kleine Hexe.
Ich frage mich, ob die beiden schon miteinander gevö gelt haben.
Als der Boss weg ist, zieht Janina wie selbstverständlich meine Tastatur zu sich, greift nach der Maus und klickt meine Ordner durch.
»Wo hast du denn das Skript?«, will sie wissen, während sie aufmerksam die Namen meiner Dateien studiert. Ent schlossen nehme ich ihr die Maus wieder ab und warte fast darauf, dass das Mäuschen anfängt zu quietschen, so fest greife ich dabei zu. Janina schreckt zurück und sieht mich leicht säuerlich an.
»Ich wollte dir doch nur helfen«, quakt sie beleidigt und lässt sich zurück in den Stuhl sinken.
Ich bekomme ein schlechtes Gewissen. Vielleicht habe ich mich ja in ihr getäuscht und sie ist im Grunde wirk lich nur eine Frau, die sich auf Anhieb gut mit dem Chef versteht.
»Hi, Janina! Schön, dass du in unserer Abteilung bist.« Unser Praktikant rauscht vorbei. Und auch Katja verweilt einen Augenblick an meinem Schreibtisch, um mit der Neuen zu plaudern. Okay, denke ich, vielleicht versteht sie sich einfach mit allen aus der Abteilung gut, bloß nicht mit mir.
»Vielleicht sollte die sich die Titten aufpolstern lassen«, raunt Janina mir zu, als Katja gegangen ist, »dann kann sie wenigstens so ein paar Punkte machen, wenn sie sonst schon nix drauf hat!«
Okay, denke ich, vielleicht ist sie aber auch einfach nur eine durchtriebene Schlange.
Den Rest des Vormittags feilen wir an dem Gameshow- Text, was trotz der leicht gespannten Atmosphäre, die über meinem Arbeitsplatz schwebt, relativ gut funktioniert. Janina gibt sich interessiert und findet meine For mulierungen sogar richtig gut.
Weitere Kostenlose Bücher